| Am 22. September fand in Berlin eine von der Heinrich-BթԹԳll-Stiftung organisierte Fachtagung mit dem Titel թ§Չ-ժԷDer VթԹԳlkermord an den Armeniern und die deutsche թՉffentlichkeitթ§Չ-ժ statt. Der Historiker Raymond Kevorkian aus Frankreich, der Publizist Wolfgang Gust, der Schweizer Historiker Hans-Lukas Kieser und der deutsche Historiker Boris Barth sprachen թԹԶber die verschiedenen historischen Aspekte im Zusammenhang mit dem Thema und den Stand der Forschung. Einen թժberblick թԹԶber die Stellungnahmen der deutschen Politiker zu der Frage der Anerkennung des VթԹԳlkermords gab Raffi Kantian. Dogan Akhanli und Toros Sarian beschrieben die AktivitթԹ)ten zivilgesellschaftlicher Gruppen bei der Aufarbeitung des Verbrechens im Osmanischen Reich. Einzige Politiker auf der Tagung waren die langjթԹ)hrige Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck und hessische Landtagsabgeordnete MթԹԶrvet թՉztթԹԶrk. Am Abend fand eine von Ulrike Dufner moderierte, թԹԳffentliche Podiumsdiskussion statt.
Cem թՉzdemir und BթԹԶndnis 90/Die GrթԹԶnen Mit Spannung wurde die Rede Cem թՉzdemirs auf der Abschlussveranstaltung erwartet. Der Parteivorsitzende von BթԹԶndnis 90/Die GrթԹԶnen prթԹ)sentierte sich nicht nur als begabter Redner. FթԹԶr manche թԹԶberraschend war vor allem seine deutliche Kritik der GedenkstթԹ)tte fթԹԶr Johannes Lepsius. Den Einsatz des evangelischen Pfarrers kթԹԳnne man թ§Չ-ժԷeigentlich gar nicht groթժԴ genug wթԹԶrdigenթ§Չ-ժ, aber trotzdem, so թՉzdemir, sei fraglich թ§Չ-ժԷob die Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestags darin, dass man sich vor allem auf das Lepsius-Haus konzentriert, wirklich etwas bewegtթ§Չ-ժ in der Frage der Aufarbeitung des VթԹԳlkermords an den Armeniern. Diese BefթԹԶrchtung wird seit vielen Jahren von anderen Kritikern geteilt, aber die einflussreichen politischen und kirchlichen Kreise, die hinter dem Lepsius Haus stehen, blieben davon unbeeindruckt. թԹ Viele Armenier kritisieren Cem թՉzdemir auch deshalb, weil er eine Anerkennung des VթԹԳlkermords durch Parlamente nicht fթԹԶr vorrangig hթԹ)lt. In seiner Rede begrթԹԶndete er seinen Standpunkt: թ§Չ-ժԷIch verstehe, dass gerade bei vielen in der armenischen Diaspora die Nachkommen der թժberlebenden des VթԹԳlkermords, das bei den Nachkommen der թժberlebenden der schrecklichen Verbrechen der Wunsch besteht, dass jedes Parlament dieser Welt eine VթԹԳlkermordanerkennungsbeschluss fasst. Ich glaube aber, dass es die Wunden nicht heilt. Ich glaube nicht, dass es das Problem lթԹԳst. Ich glaube, eine eigentliche թ§Չ-ժԷLթԹԳsungթ§Չ-ժ wird es geben, wenn die TթԹԶrkische Nationalversammlung sich mit dem Thema beschթԹ)ftigt und im Prinzip das, was bislang die offizielle Geschichtsschreibung ist, dem anpasst, was sich als Allgemeingut in der Wissenschaft mittlerweile herausgearbeitet hat. (թ§Չ-Թ») Die Heilung der Wunden ist in Anatolien.թ§Չ-ժ Der GrթԹԶnen-Vorsitzende ging auch թ§Չ-Չ wie zu erwarten war թ§Չ-Չ ausfթԹԶhrlich auf Hrant Dink und dessen Ermordung ein. Er erwթԹ)hnte in diesem Zusammenhang die heftige Kritik, die von Teilen der armenischen Diaspora an den Herausgeber der թ§Չ-ժԷAgosթ§Չ-ժ geթԹԶbt wurde. Von der Mordtat des 19. Januar 2007 waren damals aber auch die Kritiker Hrant Dinks schockiert. թ§Չ-ժԷ1.500.000+1թ§Չ-ժ stand auf vielen Plakaten, die im Januar 2007 auf Kundgebungen von trauernden Armeniern hochgehalten wurden. Der Mord wurde von deutschen Politikern verurteilt. թԹ Aber der Mordfall Hrant Dink ist schnell in Vergessenheit geraten. Cem թՉzdemir und Claudia Roth sind die einzigen namhaften Politiker in Deutschland, die bis heute daran erinnern und den Prozessverlauf teilweise vor Ort verfolgt haben. Deshalb ist es schwer verstթԹ)ndlich, warum die GrթԹԶnen bei vielen Armeniern eher unbeliebt sind. թԹ Auf der gemeinsam von der DiթԹԳzese der Armenischen Kirche in Deutschland und dem Zentralrat der Armenier in Deutschland organisierten Gedenkfeiern in der Paulskirche hielten immerhin zwei hochrangige Politikern von BթԹԶndnis 90/Die GrթԹԶnen Ansprachen: Am 24. April 2004 die damalige Bundesvorsitzende Angelika Beer und am 24. April 2007 Fritz Kuhn, damals Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Fritz Kuhn war zudem derjenige Redner, der in der Bundestagsdebatte im April 2005 die deutlichsten Worte zum VթԹԳlkermord und zur Mitschuld Deutschlands sprach: թ§Չ-ժԷWir haben deswegen nicht nur eine Mitwissen, sondern auch eine Mitschuld. Ich mթԹԳchte mich fթԹԶr meine Fraktion und, ich glaube, fթԹԶr alle in diesem Haus heute 90 Jahre nach diesen schrecklichen Ereignissen, beim armenischen Volk fթԹԶr diese Mitschuld entschuldigen (թ§Չ-Թ») Es handelte sich um einen Genozid, also um VթԹԳlkermord.թ§Չ-ժթԹ Ebenfalls bemerkenswert an der Rede թՉzdemirs war, dass er auch die Assyrer als Opfer des VթԹԳlkermords erwթԹ)hnte. Etwas, was im Zusammenhang mit der verbrecherischen Politik der JungtթԹԶrken oft vergessen wird.
Ein Bundestagsbeschluss ohne Folgen թԹ Die TթԹԶrkei und die tթԹԶrkisch-nationalistischen VerbթԹ)nde in Deutschland waren anfթԹ)nglich vehement gegen die Errichtung der Lepsius-GedenkstթԹ)tte. Inzwischen haben sie erkannt, dass ihre BefթԹԶrchtungen vթԹԳllig unbegrթԹԶndet waren. Ankara und den Vertretern der Leugnungspolitik in Deutschland kommt es eigentlich entgegen, dass sich die AktivitթԹ)ten im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des VթԹԳlkermords im Wesentlichen auf das Lepsius-Haus konzentrieren. Was dort an Expertentreffen und Besichtigungen durchgefթԹԶhrt wird, stellt fթԹԶr die Leugnungsexperten in Ankara und ihre Vertreter in Deutschland anscheinend keine թ§Չ-ժԷGefahrթ§Չ-ժ dar. թԹ Auf der Fachtagung rթԹ)umten einige Redner ein, dass sie bis vor wenigen Jahren von dem VթԹԳlkermord im Osmanischen Reich nichts gewusst hթԹ)tten. In der թ§Չ-ժԷErinnerungskulturթ§Չ-ժ kam das Verbrechen an den Armeniern nicht vor. Vielmehr wurde es lange Zeit verdrթԹ)ngt. թ§Չ-ժԷDeutschland, das mit zur VerdrթԹ)ngung der Verbrechen am armenischen Volk beigetragen hat, ist in der Pflicht, sich der eigenen Verantwortung zu stellenթ§Չ-ժ, heiթժԴt es in der Bundestagsresolution von 2005. Immerhin keimte damals vor allem natթԹԶrlich bei den Armeniern etwas Hoffnung auf, dass von nun an all das nachgeholt wթԹԶrde, was jahrzehntelang versթԹ)umt worden war. Aber sechs Jahre danach konnte keiner der Referenten auf der Fachtagung in Berlin darlegen, wie sich Deutschland seiner Verantwortung gestellt hat. Deutschlands Parlamentarier, die 2005 die TթԹԶrkei ermahnten, թ§Չ-ժԷsich im Sinne der europթԹ)ischen Kultur der Erinnerung mit der Thematikթ§Չ-ժ zuթԹ beschթԹ)ftigten, mթԹԶssen die Frage beantworten, wie sich die deutsche Politik in den vergangenen sechs Jahren mit dieser թ§Չ-ժԷThematikթ§Չ-ժ beschթԹ)ftigt hat. Auf der Tagung bliebe jedenfalls diese Frage unbeantwortet. Marieluise Beck wies aber darauf hin, dass zum 100. Jahrestag des Verbrechens rechtzeitig etwas vorbereitet werden mթԹԶsse. թԹ Die Abgeordneten in Berlin hatten in ihrem Beschluss 2005 daran erinnert, dass die BundeslթԹ)nder einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung leisten kթԹԳnnten, indem sie die Aufarbeitung der Geschichte des VթԹԳlkermords in den Geschichtsunterricht einbringen. Bis heute bildet aber Brandenburg das einzige Bundesland, in dem der VթԹԳlkermord an den Armeniern im Geschichtsunterricht thematisiert wird. Dies war aber auch bereits vor 2005 der Fall. Tatsache ist, dass keine der Parteien, die den Antrag unterstթԹԶtzt haben, in den vergangenen sechs Jahren etwas Konkretes unternommen hat, um dem Beispiel Brandenburgs zu folgen. Auch թ§Չ-ժԷDie Linkeթ§Չ-ժ hat in den vergangenen Jahren auթժԴer einigen Kleinen Anfragen im Bundestag in dieser Angelegenheit nichts unternommen. In einigen BundeslթԹ)ndern, wo sie an der Regierung beteiligt ist bzw. war, wie z.B. in Berlin, hatte sie jedenfalls die MթԹԳglichkeit.
Eine Alibi-Veranstaltung? թԹ Manche werden behaupten, die Tagung der BթԹԳll-Stiftung sei eine reine Alibi-Veranstaltung gewesen. Laut WթԹԳrterbuch ist ein թ§Չ-ժԷAlibiթ§Չ-ժ eine Ausrede, Entschuldigung oder Rechtfertigung. Wurde denn seitens der armenischen VerbթԹ)nde in Deutschland oder von anderer Seite jemals gefragt, warum auch nach dem Bundestagsbeschluss vom Juni 2005 nichts getan wurde, um eine Aufarbeitung des VթԹԳlkermords an den Armeniern voranzubringen? Niemand konfrontierte die deutschen Parteien mit ihrer Tatenlosigkeit in dieser Frage. Es gab deshalb gar keinen Grund fթԹԶr die BթԹԳll-Stiftung, gerade jetzt eine Alibi-Veranstaltung durchzufթԹԶhren. Und wenn es doch als eine Alibi-Veranstaltung gedacht war, dann kann man sich nur wթԹԶnschen, dass die Stiftungen der SPD, CDU, CSU, FDP oder der թ§Չ-ժԷLinkenթ§Չ-ժ dem Beispiel der BթԹԳll-Stiftung folgen. թԹ Es gibt gewiss einiges, was man an der Tagung kritisieren kթԹԳnnte. Die nur wenigen eingeladenen Teilnehmer der Fachtagung erfuhren etwas թԹԶber den Stand der Geschichtsforschung zum VթԹԳlkermord an den Armeniern. թժber die Fortschritte bei der Aufarbeitung des Verbrechens erfuhren sie nichts, weil es schlicht nichts zu berichten gab. Der VթԹԳlkermord an den Armeniern hat offensichtlich noch keinen Platz in der Erinnerungskultur in Deutschland erhalten. Wenn die Politik weiterhin so tatenlos bleibt, wird sich daran bis 2015 wahrscheinlich auch nichts թԹ)ndern. Cem թՉzdemirs Versprechen, er werde sich bei seinen Parteifreunden in den Landesregierungen dafթԹԶr einsetzten, dass der VթԹԳlkermord im Geschichtsunterricht an den Schulen behandelt wird, kթԹԳnnte etwas bewegen. Ob Sigmar Gabriel, Angelika Merkel, Philip RթԹԳsler, Horst Seehofer oder Klaus Ernst dem Beispiel թՉzdemirs folgen werden?
Toros Sarian armenieninfo.net 13.10.2011 |
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