Ich frage mich jedes Mal, was wir eigentlich in der Paulskirche machen, wenn wir dort zusammen kommen. Und ich frage mich auch, ob der Zentralrat der Armenier fթԹԶr die Armenier eher hinderlich arbeitet. Der Ort und Begriff թ§Չ-ժԷPaulskircheթ§Չ-ժ hat ja fթԹԶr sich eine bestimmte Bedeutung, eine bestimmte Praxis, eine bestimmte Kultur. Wenn wir Armenier թ§Չ-Չ und die sich mit uns Solidarisierenden թ§Չ-Չ mit Kind und Kegel dort zusammen kommen, dթԹԶrfte unser Praxis eine der vorgegebenen kontrթԹ)re sein; denn wir kթԹԳnnen dort nur teilweise eine bթԹԶrgerliche Kultur praktizieren թ§Չ-Չ vor allem, weil der Grund unseres Zusammenkommens eine nicht formalisierte und eingefasste Form der Trauer ist.
Mein Eindruck ist: Wir wollen eigentlich einen deutschen թ§Չ-ժԷLerchenbergթ§Չ-ժ aufsuchen, wo wir unserer Trauer vielleicht mit der Niederlegung einer Rose Ausdruck geben kթԹԳnnen, in einer kontemplativen AtmosphթԹ)re թ§Չ-Չ in einer Art sթԹ)kularisierter Kirche. In der Paulskirche erwartet uns aber eine andere Haltung, die uns verwirrt zurթԹԶck lթԹ)sst: schwer verstթԹ)ndliche und einzuordnende politische Reden und klassische Musik.
Die Praxis թ§Չ-ժԷPaulskircheթ§Չ-ժ hat ihre Berechtigung. Die armenischen Forderungen mթԹԶssen einen Ort haben, wo sie von ihnen selbst und von den von ihnen selbst bestimmten Rednern թԹԳffentlich geթԹ)uթժԴert werden kթԹԳnnen. So gesehen haben wir in Deutschland einen zentralen Ort der politischen Anklage, aber noch keinen zentralen Ort der Trauer, wo wir auch traditionelle armenische Klagelieder hթԹԳren und uns mit unseren Opfern verbunden fթԹԶhlen kթԹԳnnen.
թ§Չ-ժԷTթԹԶrkei raus aus West-Armenien!թ§Չ-ժ
Dieses Jahr war der 24. April, da er mit Ostern zusammenfiel, besonders symboltrթԹ)chtig. Ich glaube, dass diese Koinzidenz die echte Herausforderung fթԹԶr den christlichen Glauben und einen Gottesglauben insgesamt ist, wenn man damit auch den Glauben an Gerechtigkeit verbindet. Der Rechtfertigungsdruck fթԹ)llt auf die Christen. Vielleicht haben die Weltkirchen in diesem Jahr deshalb auch in einem gemeinsamen Appell die GlթԹ)ubigen aufgefordert, des Genozids an den Armeniern zu gedenken: eine ungesթԹԶhnte Schuld.
Einige Stunden vor der Gedenkfeier in der Paulskirche hatten etwa zweihundert junge Armenierinnen und Armenier einen Protestmarsch in der NթԹ)he der Paulskirche organisiert und riefen den Passanten թ§Չ-ժԷVթԹԳlkermord verjթԹ)hrt nicht!թ§Չ-ժ zu und hielten dabei Banner mit der Aufschrift թ§Չ-ժԷTթԹԶrkei raus aus West-Armenien!թ§Չ-ժ hoch.
Der Hauptredner der Gedenkfeier war dieses Jahr der tթԹԶrkisch-deutsche Schriftsteller Dogan Akhanli. Was diese Tatsache auch nach der Rede bedeutet, weiթժԴ man nicht ganz abzuschթԹ)tzen. FթԹԶr einen GroթժԴteil der TթԹԶrken ist Dogan Akhanli bereits der թ§Չ-ժԷVaterlandsverrթԹ)terթ§Չ-ժ schlechthin, was in diesem Fall als eine Ehrenbezeichnung gedeutet werden muss. Die Rede Dogan Akhanlis war eine persթԹԳnliche Rede, die eine ethische Erkenntnisgeschichte war. Sie endete mit den an die TթԹԶrken als TթԹ)tern gerichteten Worten, dass sie als politisch-ethische Aufgabe vor 2015 unbedingt einen Erinnerungsaufstand brauchen. Dogan Akhanli hat seine Rede sehr verhalten vorgetragen, ohne Pathos, aber sichtlich ergriffen. In schwarz gekleidet, mit etwas gebթԹԶckter Haltung, mit eher kleinen թԹ kթԹԳrperlichen Statue. Lacher hatte er geerntet, als er sagte, dass man ihn auch wegen seiner թԹ)uթժԴeren Merkmale als einen Juden oder Armenier ansieht, im denunziatorischen Sinn. Der Beifall, der zum Schluss kam, war nicht frenetisch. Eher sachlich anerkennend.
Sind wir Armenier denn wirklich so ehrlos?
Im Gegensatz zu Dogan Akhanli war die ihm nachfolgende Rednerin im Vorfeld schon hթԹԳchst umstritten. Wesentlich grթԹԳթժԴer als ihr Vorredner, strahlte sie gթԹԶlden, die starke Blonde. Obwohl nicht die Hauptrednerin, hatte Erika Steinbach den stթԹ)rkeren Beifall, fast schon triumphalistisch. Ein Effekt, der mթԹԳglicherweise ihrem professionellen Politikersein zu verdanken war. Denn inhaltlich war ihre Ansprache eine Rechtfertigung der schwachen offiziellen deutschen Haltung in der Genozidanerkennung. Kein Wort darթԹԶber, weshalb die Kanzlerin sich nicht zu einem Wort der Anteilnahme an die Armenier in Deutschland trauen kann. Kein Wort darթԹԶber, dass die von der Regierung favorisierte թ§Չ-ժԷHistorikerkommissionթ§Չ-ժ ein Ding der UnmթԹԳglichkeit ist. Kein Wort darթԹԶber, dass die deutschen Banken vom VթԹԳlkermord profitiert haben. Sie hat geschickt eigene թ§Չ-ժԷClamesթ§Չ-ժ in ihre Rede einfթԹ)deln kթԹԳnnen. Ohne Not musste sie den Namen Stalin als MassenmթԹԳrder fallen lassen und auch ohne Not musste sie die Juden als Verstockte darstellen. Somit gelang ihr die Quadratur des Kreises: die Denunziation des jթԹԶdisch-bolschewistischen Pakts թ§Չ-Չ mit Hilfe der armenischen Tarnung, wodurch sie die Chance erhielt, die deutsche Schuld zu relativieren und daraus auch emotionalen Gewinn ziehen zu kթԹԳnnen. DafթԹԶr haben wir ihr Beifall geklatscht! In alten Kategorien wթԹԶrde man sich fragen: Sind wir Armenier denn wirklich so ehrlos? Der Zentralrat hat uns Armeniern mit der Einladung von Erika Steinbach keinen Gefallen getan, sondern in eine Falle gelockt. Dieser Fehler wird hoffentlich bald Geschichte geworden sein, wie die ihm zuzurechnende Geisteshaltung.
www.hay-society.de
Be the first to comment