Die armenische Gretchenfrage:Interview mit Toros Sarian:_Am 20. Februar 2011 sind BթƒԹԶrgerschaftswahlen in Hamburg. FթƒԹԶr die armenischen WթƒԹ)hler wird eine Frage an die Kandidaten wichtig: Wie hթƒԹ)ltst du es mit der Anerkennung des VթƒԹԳlkermordes an den Armeniern? Toros Sarian wollte es am 9. Januar 2011 auf der Landesvertreterversammlung der Linken in Hamburg wissen, wie die Position des Kandidaten Yildiz ist und kandidierte als Parteiloser fթƒԹԶr die Landesliste der Linken.

HAYsociety: Herr Sarian, Sie hatten den Linken-Abgeordneten Yildiz bereits 2008 auf www.abgeordnetenwatch.de zu einer Stellungnahme zum VթƒԹԳlkermord an den Armeniern aufgefordert. Sie haben Ihre Forderung vor Kurzem ohne Erfolg wiederholt. Eine Initiativgruppe unterstթƒԹԶtzt Sie bei Ihrem BemթƒԹԶhen, den Fall Yildiz nicht zu einem Fall Keskin, der die Linke in einem ganz schlechten Licht erscheinen lieթƒժԴ, zu machen. Wie groթƒժԴ ist der RթƒԹԶckhalt, den Sie bei der Linken und der armenischen Gemeinschaft haben?

Sarian:թ‚Թ Es gibt keine թ§Չ‚-ժԷInitiativgruppeթ§Չ‚-ժ“, die mich unterstթƒԹԶtzt, damit der Fall Yildiz nicht zu einem Fall Keskin wird. Ich bin MitbegrթƒԹԶnder der Anfang 2010 gegrթƒԹԶndeten Gruppe թ§Չ‚-ժԷKein Vergessen, kein Leugnen – Initiative 1915թ§Չ‚-ժ“. Diese Initiative hat gemeinsam mit 5 anderen Vereinen, darunter die թ§Չ‚-ժԷArbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, fթƒԹԶr VթƒԹԳlkerverstթƒԹ)ndigungթ§Չ‚-ժ“, die թ§Չ‚-ժԷAssemby of Armenians of Europe – Deutschland Sektionթ§Չ‚-ժ“ und drei aramթƒԹ)isch-assyrische Vereinen einen gemeinsamen Aufruf an die Delegierten der Landesvertreterversammlung gerichtet. Darin wurde die Partei Die Linke daran erinnert, dass der Fall Hakki Keskin sich nicht wiederholen dթƒԹԶrfe.թ‚Թ  Die Unterzeichner des Aufrufs kթƒԹԶndigten Proteste an, wenn Mehmet Yildiz als Kandidat der Partei fթƒԹԶr die BթƒԹԶrgerschaftswahl am 20. Februar nominiert werden sollte, ohne den VթƒԹԳlkermord anzuerkennen.

Ich bin kein Mitglied der Partei Die Linke. Zu einigen tթƒԹԶrkeistթƒԹ)mmigen Parteimitgliedern, die seit 2007 mehrere Gedenk- und Protestveranstaltungen zum VթƒԹԳlkermord und zur Ermordung Hrant Dinks organisiert haben, unterhalte ich gute Kontakte. Von einem RթƒԹԶckhalt in der Partei Die Linke kann aber keine Rede sein, weil die Mitglieder der Partei Die Linke mich nicht kennen. Es ist mթƒԹԳglich, dass Parteilose fթƒԹԶr die Landesliste der Linken kandidieren kթƒԹԳnnen. Von dieser MթƒԹԳglichkeit habe ich Gebrauch gemacht und gegen Mehmet Yildiz kandidiert. Dadurch erhielt ich die MթƒԹԳglichkeit, meine Kritik an der Haltung von Mehmet Yildiz vorzutragen. Die meisten Parteimitglieder erfuhren erst am 8. Januar, als der Aufruf auf der Landesvertreterversammlung verteilt wurde, dass Mehmet Yildiz seit drei Jahren zum VթƒԹԳlkermord an den Armeniern schwieg.

Die armenische Gemeinschaft in Hamburg hat թƒԹԶber die Ereignisse der vergangenen Wochen kaum etwas mitbekommen. Lediglich einige junge Armenierinnen und Armenier, die in der թ§Չ‚-ժԷInitiative 1915թ§Չ‚-ժ“ aktiv sind, wussten davon. Ob und wie viel RթƒԹԶckhalt ich in der armenischen Gemeinschaft in Hamburg habe, weiթƒժԴ ich nicht. FթƒԹԶr mich stellt sich so eine Frage auch nicht. Ich gehe davon aus, dass die Forderung nach Anerkennung des VթƒԹԳlkermordes von allen Armeniern unterstթƒԹԶtzt wird. Von Mehmet Yildiz habe ich nur verlangt, dass er sagen soll, ob er das Verbrechen an den Armeniern als VթƒԹԳlkermord bewertet.

HAYsociety: Ist es nicht kurzsichtig und bequem, lediglich bei der Linken Druck zu machen? WթƒԹ)re es nicht ratsam, bei jedem Kandidaten der politischen Parteien in allen deutschen Parlamenten auf die Anerkennung des VթƒԹԳlkermordes zu drթƒԹ)ngen?

Sarian:թ‚Թ NatթƒԹԶrlich ist es notwendig, dass bei den Kandidaten in allen Parteien darauf geachtet wird, welche Position sie in der VթƒԹԳlkermordfrage vertreten. In Hamburg hat es auch Proteste gegen tթƒԹԶrkeistթƒԹ)mmige Abgeordnete und Politiker in anderen Parteien gegeben. 2001 gegen Hakki Keskin, der damals noch Mitglied der SPD war. Olaf Scholz, SPD-Chef in Hamburg, hatte sich dazu zwar nicht geթƒԹ)uթƒժԴert, aber zahlreiche Hamburger SPD-Abgeordnete im Bundestag, im EuropթƒԹ)ischen Parlament undթ‚Թ  der BթƒԹԶrgermeister Ortwin Runde haben auf den Protest reagiert. Es gab zwei GesprթƒԹ)che mit hochrangigen Vertretern des BթƒԹԶrgermeisters im Rathaus.

Der Protest gegen den GAL BթƒԹԶrgerschaftsabgeordneten Mahmut Erdem, der ebenfalls 2001 den VթƒԹԳlkermord angezweifelt hatte, war erfolgreich. Die GAL-Fraktion hat sich sehr schnell und klar von der Position ihres Fraktionskollegen distanziert.

Diese zwei FթƒԹ)lle haben mir gezeigt, dass Proteste was bewegen kթƒԹԳnnen. Es ist allerdings wichtig, dass man beharrlich an der Sache dranbleibt. Mit einem Protestbrief ist es nicht getan.

Leider sind mir aus anderen Orten keine vergleichbaren FթƒԹ)lle bekannt. Es liegt sicher nicht daran, dass woanders in den Landesparlamenten keine VթƒԹԳlkermordleugner sitzen. Interessant wթƒԹ)re z.B. zu erfahren, welche Position die tթƒԹԶrkischstթƒԹ)mmige Ministerin in der CDU-Regierung in Niedersachsen vertritt.

Aber ich habe den Eindruck, dass die Armenier und die Verantwortlichen in den armenischen Vereinen vor Ort sich mit solchen Dingen nicht beschթƒԹ)ftigen mթƒԹԳchten. Auch seitens des ZAD oder der թ§Չ‚-ժԷGruppe 24. Aprilթ§Չ‚-ժ“ sind in dieser Frage keine AktivitթƒԹ)ten zu erkennen.

HAYsociety:թ‚Թ WթƒԹ)re es konsequenterweise nicht auch notwendig, den deutschen Politikern ohne tթƒԹԶrkeistթƒԹ)mmigen Migrationshintergrund die armenische Gretchenfrage zu stellen, zumal der deutsche Bundestag 2005 die deutsche Mitschuld eingestanden hat?

Sarian:թ‚Թ Die armenische Gemeinschaft ist bislang nur sehr schwach organisiert. Fast sթƒԹ)mtliche Vereine definieren sich als թ§Չ‚-ժԷKulturvereineթ§Չ‚-ժ“ und von politischer BetթƒԹ)tigung halten sich die meisten fern. Deshalb ist kaum erkennbar, dass die armenische Gemeinschaft politische Ziele verfolgt. Wenn man so will, kann man die Forderung nach Anerkennung des VթƒԹԳlkermordes als ein politisches Ziel ansehen. Die Frage der politischen Partizipation ist zwar vor vielen Jahren thematisiert worden, aber konkrete Ergebnisse sind nicht erkennbar.

Es herrscht nicht nur bei Armeniern, sondern allgemein eine weit verbreiteten GleichgթƒԹԶltigkeit gegenթƒԹԶber politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Armenier in Deutschland mթƒԹԶssten zuerst einmal grundlegende politische Forderungen definieren und dann kann man sehen, wo es BerթƒԹԶhrungspunkte mit anderen Migrantengemeinschaften gibt. Naheliegend ist natթƒԹԶrlich, dass Armenier und AngehթƒԹԳrige anderer christlicher Migrantengemeinschaften gemeinsame politische Forderungen haben. Die kleinen Migrantengemeinschaften mթƒԹԶssen enger zusammenarbeiten, damit sie ihre Interessen besser durchsetzen kթƒԹԳnnen.

Toros Sarian ist Herausgeber des Online-Magazins Armenieninfo.net

Mehmet Yildiz erzwungenes Bekenntnis

hay-society.de

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