Berlin (kath.net) Am letzten Donnerstag haben die Abgeordneten des deutschen Bundestages mit nur einer Gegenstimme eine Resolution angenommen, in der die Massaker und Vertreibungen der Armenier im Ersten Weltkrieg als թ§Չ-ժԷVթԹԳlkermordթ§Չ-ժ anerkannt wurden. Zudem stellte sie die historische Verantwortung des deutschen Volkes fest, dessen Regierung durch die Berichte deutscher Diplomaten und MilitթԹ)rs bestens թԹԶber die schrecklichen Ereignisse vor 101 Jahren informiert waren; schlieթժԴlich war das Osmanische Reich Deutschlands Waffenbruder und wichtigster VerbթԹԶndeter.
Auf die Verabschiedung der Resolution folgte erwartungsgemթԹ)թժԴ eine heftige Gegenreaktion aus Ankara. TթԹԶrkische Zeitungen sprachen von einer թ§Չ-ժԷSchandeթ§Չ-ժ und zeigten ausgerechnet Bundeskanzlerin Angela Merkel, die der Abstimmung demonstrativ ferngeblieben war, in Nazi-Uniform. Demonstranten versammelten sich vor der Deutschen Botschaft, warfen Eier. TթԹԶrkische Politiker թԹԶbertrafen sich an Beschimpfungen, wթԹ)hrend StaatsprթԹ)sident Erdogan lamentierte, Merkel habe ihm doch versprochen, diese Resolution zu stoppen. TatsթԹ)chlich war es nur der Beharrlichkeit des GrթԹԶnen Cem թՉzdemir zu verdanken, dass sie es doch noch auf die Tagesordnung des deutschen Parlamentes schaffte. Erst im Februar gab ihm der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Thema dazu seinen Handschlag.
Nach wie vor bestreitet die TթԹԶrkei vehement, dass es sich um einen VթԹԳlkermord gehandelt habe, spricht lediglich von einer թ§Չ-ժԷkriegsnotwendigen Umsiedelungթ§Չ-ժ der Armenier und fordert eine թ§Չ-ժԷunabhթԹ)ngige Historikerkommissionթ§Չ-ժ zur KlթԹ)rung der VorwթԹԶrfe. Dabei besteht unter neutralen Historikern wenig Zweifel, dass 1,5 Millionen Armenier tatsթԹ)chlich einem geplanten VթԹԳlkermord zum Opfer fielen. Das stellte auch der deutsche Historiker Michael Hesemann fest, der drei Jahre lang in vatikanischen Archiven Dokumente zu den Ereignissen im Osmanischen Reich auswertete und sie vor einem Jahr in seinem Buch թ§Չ-ժԷVթԹԳlkermord an den Armeniernթ§Չ-ժ (Herbig-Verlag) verթԹԳffentlichte.
Wenn vom 24.-26. Juni Papst Franziskus Armenien besucht, wird er auch das VթԹԳlkermorddenkmal von Yerevan besuchen und dort eine Ansprache halten. Wahrscheinlich wird auch dann wieder der Begriff թ§Չ-ժԷVթԹԳlkermordթ§Չ-ժ fallen. Doch war es ein solcher? Hesemann ist davon թԹԶberzeugt und kann seine EinschթԹ)tzung durch beeindruckende Dokumente untermauern.
Warum es ein VթԹԳlkermord war. Von Michael Hesemann
In den letzten drei Jahren habe ich թԹԶber 2000 Seiten bis dahin unverթԹԳffentlichter Dokumente zu den Ereignissen von 1915/16, die dort unter dem Titel թ§Չ-ժԷVerfolgung der Armenierթ§Չ-ժ gefթԹԶhrt werden, im Geheimarchiv des Vatikans lokalisiert und ausgewertet. Diesem bislang unbeachteten Quellenschatz verdanken wir nicht nur zusթԹ)tzliche Informationen, sondern zudem eine vթԹԳllig neue Perspektive, die vielleicht Aufschluss թԹԶber die wahre Natur dieses schrecklichen Geschehens geben kann.
Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass eine gewaltsame թ§Չ-ժԷLթԹԳsung der Armenierfrageթ§Չ-ժ schon Jahre vor Beginn des Ersten Weltkriegs geplant wurde. Der Krieg bot offensichtlich nur den willkommenen und vielleicht lange gesuchten Vorwand fթԹԶr die DurchfթԹԶhrung der geplanten MaթժԴnahme.
Eine Untersuchung der Ideologie, die hinter dem radikaleren FlթԹԶgel der ursprթԹԶnglich eher heterogenen jungtթԹԶrkischen Bewegung stand, gibt erste Hinweise. Ihre Wurzeln hat die Partei թ§Չ-ժԷEinheit und Fortschrittթ§Չ-ժ (Ittihat ve Terakki, kurz: Ittihat) im Paris des 19. Jahrhunderts, wo eine Reihe junger TթԹԶrken aus wohlhabenden Familien studierten und mit den damaligen StrթԹԳmungen der europթԹ)ischen Philosophie in Kontakt kamen. Der թ§Չ-ժԷIntegrale Nationalismusթ§Չ-ժ, wie ihn Charles Maurras lehrte, թԹԶberhթԹԳhte die Nation zur semi-mythischen Einheit und propagierte einen starken Staat durch eine homogene Volksgemeinschaft mit einer einheitlichen Staatsreligion. Aus ihm ging in Europa der Faschismus hervor. Die SchwթԹ)che des Osmanischen Reiches, das als թ§Չ-ժԷkranker Mann am Bosporusթ§Չ-ժ verspottet wurde, fթԹԶhrten die tթԹԶrkischen AnhթԹ)nger Maurras auf die HeterogenitթԹ)t des VielvթԹԳlkerstaates zurթԹԶck. Der Abfall der Balkan-Provinzen in den nթԹ)chsten Jahren, deren christliche Minderheiten, vom Ausland unterstթԹԶtzt, sich in AufstթԹ)nden befreit hatten, bestթԹ)tigte sie in ihrer Weltsicht: Die TթԹԶrkei der Zukunft mթԹԶsse allein den TթԹԶrken gehթԹԳren, die der sunnitische Islam als Staatsreligion zusammenschweiթժԴt. FթԹԶr ethnische und religiթԹԳse Minderheiten war in dieser Vision kein Platz.
TatsթԹ)chlich schreibt der tթԹԶrkische Historiker Taner Agcam, dass schon im Juli 1910 auf der Versammlung der Ittihat-Spitze in Thessaloniki als թ§Չ-ժԷAlternative die Deportation christlicher Bewohner թ§Չ-Թ» oder ein gewaltsames Vorgehenթ§Չ-ժ diskutiert wurde. Glauben wir Johannes Lepsius, so wurde ein Jahr spթԹ)ter, im Oktober 1911, ebenfalls in Thessaloniki, beim JungtթԹԶrkischen Kongress postuliert: թ§Չ-ժԷDie TթԹԶrkei muss ein wesentlich muhammedanisches Land sein.թ§Չ-ժ Im Januar 1914 berichtete bereits die russische Zeitung թ§Չ-ժԷGolos Moskvyթ§Չ-ժ թԹԶber einen թ§Չ-ժԷPlan, Anatolien zu homogenisierenթ§Չ-ժ und die Armenier in das Zweistromland zu deportieren, was freilich damals noch von den JungtթԹԶrken dementiert wurde. Erst Anfang MթԹ)rz 1915 wurde die sofortige Umsetzung dieses Planes beschlossen. Dabei wollte man den Krieg als Vorwand fթԹԶr eine թ§Չ-ժԷallgemeine und endgթԹԶltige SթԹ)uberungթ§Չ-ժ nutzen, um թ§Չ-ժԷdas armenische Volk vollstթԹ)ndig auszurottenթ§Չ-ժ, wie Dr. Nazim Bey, GeneralsekretթԹ)r der Ittihat, auf einer Sitzung der Parteispitze erklթԹ)rte. TatsթԹ)chlich wurde dieser Parteibeschluss nur Tage spթԹ)ter, nթԹ)mlich am 16.3.1915, dem deutschen Konsul Dr. Paul Schwarz durch den Provinzgouverneur Sabit Bey bestթԹ)tigt. Das ZK-Mitglied Nefis Bey hatte bereits im Dezember 1914 mit dem Schweizer Missionar Jakob KթԹԶnzler թԹԶber einen solchen Plan gesprochen.
So meldete auch US-Botschafter Henry Morgenthau am 16.7.1915 nach Washington, dass թ§Չ-ժԷes scheint, dass hier eine Programm zur Vernichtung einer Rasse unter dem Vorwand, es seien MaթժԴnahmen gegen eine Rebellion, im Gange ist.թ§Չ-ժ Und der tթԹԶrkische Innenminister Talaat Bey թԹ)uթժԴerte sich dem deutschen Botschaftsmitarbeiter Johann Mordtmann gegenթԹԶber, wie dieser nach Berlin meldete, թ§Չ-ժԷohne RթԹԶckhalt թԹԶber die Absichten der Regierung, die den Weltkrieg dazu benutze, um mit ihren inneren Feinden թ§Չ-Չ den einheimischen Christen aller Konfessionen թ§Չ-Չ grթԹԶndlich aufzurթԹ)umen, ohne durch diplomatische Interventionen des Auslandes gestթԹԳrt zu werden.թ§Չ-ժ
Diese EinschթԹ)tzung zieht sich auch wie ein roter Faden durch die vatikanischen Dokumente. թ§Չ-ժԷթ§Չ-խArmenien ohne Armenierթ§Չ-խ թ§Չ-Չ das ist der Plan der osmanischen Regierungթ§Չ-ժ, berichtete der Generalabt des Mechitaristenordens, Msgr. Ghiurekian, Papst Benedikt XV. am 30. Juli 1915. Vom թ§Չ-ժԷWerk der JungtթԹԶrken, ermutigt durch die UnterstթԹԶtzung der Deutschenթ§Չ-ժ spricht der armenisch-katholische Erzbischof von Chalcedon, Msgr. Peter Kojunian, in seinem Schreiben an Papst Benedikt XV. vom 3.9.1915: թ§Չ-ժԷZu den Schrecken des derzeitigen Krieges, die das vթԹ)terliche Herz Eurer Heiligkeit erschթԹԶttern, gehթԹԳrt nicht zuletzt das Massaker an den Armeniern der TթԹԶrkei, das von der tթԹԶrkischen Regierung angeordnet und zum grթԹԳթժԴten Teil bereits ausgefթԹԶhrt wurde. (թ§Չ-Թ») (Es ist) eine systematische Vernichtung der Armenier in der TթԹԶrkei.թ§Չ-ժ Eine schweizer Initiative mehrerer prominenter Akademiker, die sich fթԹԶr die Armenier einsetzten und im September 1915 auch an den Vatikan wandten, hatte durch թ§Չ-ժԷdurchaus vertrauenswթԹԶrdige Augenzeugenթ§Չ-ժ in Erfahrung gebracht: թ§Չ-ժԷEs handelt sich um nichts weniger als die systematische und offiziell beschlossene Ausrottung eines ganzen christlichen Volkes, der Armenier, welche jetzt ins Werk gesetzt wird, weil die vollstթԹ)ndige Herrschaft des Islam im tթԹԶrkischen Reich durchgefթԹԶhrt werden soll.թ§Չ-ժ Der Superior des Kapuzinerordens in Erzurum, der թԹԳsterreichische Pater Norbert Hofer, schrieb im Oktober 1915 an den Vatikan: թ§Չ-ժԷDie Bestrafung der armenischen Nation (fթԹԶr angebliche AufstթԹ)nde, d.Verf.) ist bloթժԴ ein Vorwand der freimaurerischen tթԹԶrkischen Regierung, um alle christlichen Elemente im Land ungestraft vernichten zu kթԹԳnnen.թ§Չ-ժ Und sein Landsmann und Ordensbruder, der թԹԳsterreichische Kapuzinermissionar Michael Liebl, brachte in Samsun in Erfahrung: թ§Չ-ժԷNicht die Armenier, die Christen wurden (zum Tode) verurteilt auf einer geheimen Konferenz der JungtթԹԶrken vor 5 oder 6 Jahren in Thessaloniki.թ§Չ-ժ SchlieթժԴlich stellt auch ein Bericht des Armenisch-Katholischen Patriarchats an den Vatikan vom Februar 1916 fest, թ§Չ-ժԷdass die Regierung nur das kriminelle VermթԹ)chtnis (des ehemaligen GroթժԴwesirs) Midhat Paschas umsetzt, der bereits das christliche Element in der TթԹԶrkei vernichten wollte.թ§Չ-ժ Und: թ§Չ-ժԷEs ist sicher, dass all diese Ereignisse auf ausdrթԹԶcklichen Befehl der tթԹԶrkischen Regierung und in Zusammenarbeit mit allen BehթԹԳrden des osmanischen Reiches stattgefunden haben.թ§Չ-ժ Und am 18. Juni 1916 sprach der armenisch-katholische Patriarch von einem թ§Չ-ժԷProjekt zur Vernichtung des armenischen Volkes in der TթԹԶrkei (թ§Չ-Թ») Es ist sicher, dass die osmanische Regierung beschlossen hat, das Christentum aus der TթԹԶrkei zu beseitigen, bevor der Weltkrieg zu Ende geht. Und das alles geschieht im Angesicht der christlichen Welt.թ§Չ-ժ
Trotz dieser klaren Hinweise auf eine lange geplante Aktion, zu deren DurchfթԹԶhrung der Erste Weltkrieg lediglich den herbeigesehnten Vorwand bot, sprechen die TթԹԶrken noch heute lediglich von einer թ§Չ-ժԷkriegsbedingten Umsiedelungթ§Չ-ժ der Armenier. Das steht in vթԹԳlligem Widerspruch zu den historischen Fakten, wie sie auch durch die Dokumente aus dem Vatikanarchiv ersichtlich werden. So meldete etwa der Apostolische Delegat in Konstantinopel, Msgr. Angelo Dolci, am 20. August 1915 nach Rom: թ§Չ-ժԷEs ist unmթԹԳglich, sich eine Vorstellung davon zu machen, was im Landesinnern geschieht. Die gesamte armenische BevթԹԳlkerung wird systematisch auf brutalste Weise aus ihren StթԹ)dten und DթԹԳrfern vertrieben und an unbekannte Orte verschleppt. Manchmal erlauben sie diesen UnglթԹԶcklichen, Alte, Kranke, Kinder und ihre dringendsten GegenstթԹ)nde mit Karren zu transportieren. Meistens aber mթԹԶssen alle diese armen Menschen in grթԹԳթժԴeren Gruppen den Weg zu FuթժԴ zurթԹԶcklegen durch die trockene Landschaft, wo viele von ihnen durch vթԹԳllige ErschթԹԳpfung, Leiden und Entbehrungen aller Art nach ein paar Tagen den Tod finden. Anderen werden unter dem Vorwand, sie zu schթԹԶtzen, bewaffnete Eskorten mitgegeben, doch leider wird diese Begleitung oft zu der grթԹԳթժԴten Gefahr fթԹԶr die Deportierten. TatsթԹ)chlich wurden nթԹ)mlich viele Karawanen, sobald sie in verlassenere Gegenden kamen, von ihren FթԹԶhrern (den Gendarmen) massakriert.թ§Չ-ժ
Die detaillierten Augenzeugenberichte, die im Vatikanarchiv liegen, lassen tatsթԹ)chlich keinen Zweifel daran, dass es den TթԹԶrken nicht um die mթԹԳglichst reibungslose Umsiedelung eines Teiles der BevթԹԳlkerung aus der Kampfzone, sondern um deren Vernichtung ging. Nur so ist der tթԹԶrkische modus operandi zu verstehen, der immer gleich ablief:
I. Suche nach angeblichen Waffen, um einen Vorwand fթԹԶr die Abschiebung zu haben.
II. Verhaftung und anschlieթժԴende Ermordung der armenischen Notablen.
III. Verhaftung der armenischen MթԹ)nner von 16-70 unter dem Vorwand, sie zum MilitթԹ)rdienst einzuziehen. Nur wenige wurden tatsթԹ)chlich zu StraթժԴenarbeiten und TrթԹ)gerdiensten verpflichtet. Der grթԹԳթժԴte Teil wurde vor die StթԹ)dte gefթԹԶhrt und in einiger Entfernung von diesen massakriert.
IV. Deportationsaufruf an die Frauen, Kinder und Alte. Wer freiwillig zum Islam konvertierte, wurde in tթԹԶrkische Familien verschleppt, alle anderen auf einen wochenlangen FuթժԴmarsch durch das Bergland geschickt. Ihr Eigentum mussten die Meisten zurթԹԶcklassen; wer es mitnehmen durfte, wurde auf dem Weg ausgeraubt.
V. Diverse թժberfթԹ)lle, bei denen die ZթԹԶge entschieden dezimiert, die Frauen vergewaltigt und ausgeraubt oder gefangen und in die Sklaverei verkauft wurden. Dabei bot die թ§Չ-ժԷPolizeieskorteթ§Չ-ժ der ZթԹԶge keinen Schutz, sondern beteiligte sich an den Ausschreitungen. So stellte der Ordensgeneral der Mechitaristen, Msgr. Ghiurekian, in seinem Brief an Papst Benedikt XV. fest: թ§Չ-ժԷNicht nur Kurden und Briganten, sondern Gendarme und Regierungsbeamte kommen zusammen, um sie auszuplթԹԶndern und die Frauen und MթԹ)dchen zu schթԹ)nden.թ§Չ-ժ Das armenisch-katholische Patriarchat ergթԹ)nzte: թ§Չ-ժԷJeder weiթժԴ, dass die Regierung zu Beginn des Krieges Kriminelle aus den GefթԹ)ngnissen entlieթժԴ, um die թ§Չ-ժ❁Cetesթ§Չ-խ genannten Horden (թ§Չ-ժԷSondereinheitenթ§Չ-ժ, d.Verf.) zu bilden, die in den թԹԳstlichen, թԹԶberwiegend von Armeniern bewohnten Provinzen zum Einsatz kamen. Diese թ§Չ-ժ❁Cetesթ§Չ-խ begannen, die DթԹԳrfer der Armenier zu brandschatzen, ihre Frauen und jungen MթԹ)dchen zu schթԹ)nden und ihre Notablen zu ermorden.թ§Չ-ժ Zudem wurde den Deportierten Wasser, Brot und Unterkunft verweigert. Wer nicht auf dem Weg an den grassierenden Seuchen erkrankte oder an Hunger und ErschթԹԳpfung starb, erreichte sein Ziel, die syrische WթԹԶste, oft genug nackt, ausgezehrt und von der Sonne verbrannt.
VI. Nur ca. 20 % der Deportierten erreichte ihr Ziel, ein Konzentrationslager in der syrischen WթԹԶste. Dort wurde zunթԹ)chst auf die natթԹԶrliche Dezimierung durch Hunger und Seuchen gehofft, dann fanden weitere Massaker oder TodesmթԹ)rsche in die WթԹԶste statt. Maximal 3 % der Deportierten թԹԶberlebten das folgende Jahr (1916).
Angesichts dieser Tatsachen ist es geradezu perfide, von einer թ§Չ-ժԷerfolgreichen, sicheren թժberfթԹԶhrungթ§Չ-ժ zu sprechen, obwohl die Sterbequote bei 97 % lag.
Die Resolution 180 der UN-Vollversammlung vom 21. November 1947 definiert VթԹԳlkermord in Artikel II als թ§Չ-ժԷeine der folgenden Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiթԹԳse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstթԹԳren:
a) das TթԹԳten von AngehթԹԳrigen der Gruppe
b) das ZufթԹԶgen von schweren kթԹԳrperlichen oder seelischen SchթԹ)den bei AngehթԹԳrigen der Gruppe
c) die absichtliche Unterwerfung unter Lebensbedingungen, die auf die vթԹԳllige oder teilweise physische ZerstթԹԳrung der Gruppe abzielen
d) die Anordnung von MaթժԴnahmen zur Geburtenverhinderung
e) die zwangsweise թժberfթԹԶhrung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppeթ§Չ-ժ
In Dutzenden Dokumenten aus dem Vatikanarchiv werden die Massaker an den Armenier-Konvois durch Soldaten, Milizen und RegierungsangehթԹԳrige geschildert. Die ganze Umsiedelung selbst scheint nur dem Ziel gedient zu haben, die Armenier so stark zu dezimieren, dass nur noch ein Bruchteil die թԹԶberfթԹԶllten Konzentrationslager in der syrischen WթԹԶste erreichte, wo das TթԹԳten fortgesetzt wurde. Die Verweigerung von Lebensmitteln und Wasser թ§Չ-Չ die Armenier wurden sogar daran gehindert, aus FlթԹԶssen zu trinken! թ§Չ-Չ und die GewaltmթԹ)rsche durch das Bergland fթԹԶhrte zum Tod von Hunderttausenden, die fortdauernden Schikanen und Vergewaltigungen, der Diebstahl aller Kleider, die Folter und die BrutalitթԹ)t der Gendarmen bei Zigtausenden zu seelischen SchթԹ)den, vom Wahnsinn bis zum Selbstmord. Der Kapuzinersuperior P. Norbert Hofer zitiert in seinem Bericht den deutschen Superior der Lazaristenmission in Jerusalem, Pater D. Dunkl, der in Aleppo erlebte, in welchem Zustand die Armenierinnen waren, die es immerhin bis an den Rand der syrischen WթԹԶste geschafft hatten: թ§Չ-ժԷNormalerweise kommen nur die Frauen bis Aleppo; denn die MթԹ)nner sterben schon vorher entweder an ihren Leiden oder werden massakriert.
Im Hof eines թ§Չ-ժ❁Khansթ§Չ-խ (Karawanserei) in der NթԹ)he von Aleppo sah er (P. Dunkl, d. Verf.) auf der nackten Erde sitzend, inmitten ihrer eigenen Ausscheidungen, mehrere hunderte Frauen, darunter viele MթԹԶtter mit ihren bereits toten oder noch lebenden Kinder an der Brust. Sie alle waren in einem apathischen Zustand oder kurz davor zu sterben. Eine protestantische Diakonisse թ§Չ-Չ die թԹԶbrigens versuchte, mit allen Mitteln die Leiden der unglթԹԶcklichen Frauen zu lindern թ§Չ-Չ erzթԹ)hlte, dass sie tթԹ)glich etwa zwanzig Leichen von dem oben genannten Hof wegschaffen musste.
Eine katholische Nonne, die kurz zuvor in Aleppo eingetroffen war, erzթԹ)hlte, dass sie mit sechs weiteren Schwestern aus Tokat ausgewiesen wurde. Sie alle wurden entkleidet und mussten so, ganz nackt, die Reise von mehr als einer Woche bis Aleppo unternehmen. FթԹԶnf der Begleiterinnen sind auf dem Weg verstorben, waren ihrer ErschթԹԳpfung und der Torturen, die sie ertragen mussten, zum Opfer gefallen. Eine wurde in der NթԹ)he der Stadt (Aleppo) verrթԹԶckt und ertrթԹ)nkte sich in einem Fluss. Der ErzթԹ)hlerin gelang es, sich der Kleidung einer auf der StraթժԴe liegenden Leiche zu bemթԹ)chtigen, sich anzukleiden und in die Stadt zu fliehen, wo sie von anderen Nonnen, die vorher angekommen waren, aufgenommen wurde.թ§Չ-ժ
Die Zahl der Opfer wird in den vatikanischen Dokumenten auf թԹԶber eine Million geschթԹ)tzt. Ein Bericht des armenisch-katholischen Patriarchats, der im Februar 1916 verfasst wurde, erwթԹ)hnt bereits թ§Չ-ժԷbeinahe 1.000.000թ§Չ-ժ Opfer, wohlbemerkt noch vor den Massakern in der syrischen WթԹԶste. Msgr. Dolci dagegen ging bereits am 20.12.1915 von 1,1 Millionen Toten aus , wթԹ)hrend der Kapuzinerpater Michael Liebl am 30. September 1917, also nach den Massakern, konstatierte: թ§Չ-ժԷVon den 2,3 Millionen in der TթԹԶrkei wohnenden Armeniern sind ein und eine halbe Million von den TթԹԶrken ausgerottet worden.թ§Չ-ժ Von 1,5 Millionen Toten geht heute auch die seriթԹԳse Armenozid-Forschung aus.
Auch die թ§Չ-ժԷթժberfթԹԶhrung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppeթ§Չ-ժ gehթԹԳrt zu den traurigen Kapiteln des Armenozids. թ§Չ-ժԷEine groթժԴe Zahl armenischer Kinder (der Zeuge glaubte, dass es 1000 waren), wurden am Geburtstag des Sultans beschnitten und zu TթԹԶrken gemacht. Viele Frauen und Kinder wurden in tթԹԶrkische HթԹ)user gezwungenթ§Չ-ժ, berichtete der Rottenburger Priester Johannes Straubinger, deutscher MilitթԹ)rgeistlicher in der TթԹԶrkei, dem Apostolischen Delegaten. Ein Bericht des armenisch-katholischen Patriarchats prթԹ)zisiert: թ§Չ-ժԷDie schutzlos zurթԹԶckgebliebenen Frauen und MթԹ)dchen wurden oft genug noch in ihrer Heimat oder auf dem Weg entfթԹԶhrt und in tթԹԶrkische Harems verschleppt. թժberall haben die թԹԳrtlichen BehթԹԳrden Kinder beiderlei Geschlechts den Armen ihrer MթԹԶtter entrissen und an die TթԹԶrken ausgeliefert. (թ§Չ-Թ») Die erzwungenen Konversionen der Frauen und jungen MթԹ)dchen gehen in die Tausende. (թ§Չ-Թ») Die Propaganda der Zwangsbekehrung lթԹ)uft bis heute, sie wird von den hթԹԳchsten ReprթԹ)sentanten der tթԹԶrkischen Regierung befթԹԶrwortetթ§Չ-ժ, ein Umstand, den auch der Kapuzinerpater Michael Liebl aus Samsun bestթԹ)tigte: թ§Չ-ժԷDie MթԹ)dchen und jungen Frauen wurden meist gewaltsam in die Harems gesteckt und mit TթԹԶrken verheiratet.թ§Չ-ժ
War es also ein VթԹԳlkermord, was sich 1915-16 im Osmanischen Reich abspielte? Die Dokumente aus den Vatikanarchiv lassen keinen Zweifel daran, dass der Armenozid nahezu alle Kriterien erfթԹԶllt, die von den Vereinten Nationen definiert worden sind.
kath.net-Buchtipp
VթԹԳlkermord an den Armeniern
Mit unverթԹԳffentlichten Dokumenten aus dem Geheimarchiv des Vatikans թԹԶber das grթԹԳթժԴte Verbrechen des Ersten Weltkriegs
Von Michael Hesemann
Hardcover, 352 Seiten; Fotos
2015 Herbig
ISBN 978-3-7766-2755-8
Preis 25.70 EUR
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Der Papst und der VթԹԳlkermord թ§Չ-Չ Benedikt XV. und sein Kampf fթԹԶr das Volk der Armenier
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Armenien griff mit seinem Lied zum Eurovision Song Contest 2015 das bittere Thema auf: թԹԲGenealogy – Face The ShadowթԹԲ
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