SZ-Magazin: Herr Goltz, Schriftsteller und Journalisten, die sich zum VթԹԳlkermord an Armeniern թԹ)uթժԴerten, wurden in der TթԹԶrkei angeklagt թ§Չ-Չ wieթԹ Orhan Pamuk թ§Չ-Չ oder ermordet թ§Չ-Չ wie der Journalist Hrant Dink. Sie beschթԹ)ftigen sich seit dreiթժԴig Jahren mit dem Thema. Wird man auch als deutscher Wissenschaftler bedroht?
Hermann Goltz:թԹ Sie kennen die Radio-Eriwan-Antwort: im Prinzip ja. Wissenschaftler waren nie so gefթԹ)hrdet wie der ermordete armenisch-tթԹԶrkische Journalist Hrant Dink, wie Politiker oder Schriftsteller, deswegen treffen uns nur selten unappetitliche AnwթԹԶrfe in irgendwelchen obskuren Chatrooms im Internet.
Sie waren wissenschaftlicher Berater fթԹԶr den DokumentarfilmթԹ Aghet (Anmerkung:թԹ hier sehen Sie den Film), der vor zwei Wochen im deutschen Fernsehen gezeigt wurde. Haben Sie sich vor radikalen TթԹԶrken gefթԹԶrchtet?
Ich befթԹԶrchtete vor allem die թԹԶblichen VerhinderungsmaթժԴnahmen tթԹԶrkischer Politiker.
Wie meinen Sie das?
Als ich im Jahr 2005 an der Armenien-Resolution des deutschen Bundestags mitarbeitete, schickte das tթԹԶrkische Parlament Abgeordneten-Gruppen aus allen Fraktionen nach Berlin, die mit einem groթժԴen Aufwand von Geld und Zeit jede Fraktion des deutschen Bundestages einzeln թԹեbearbeitetenթԹ,. Da ich als Berater der deutschen Seite bei diesen GesprթԹ)chen persթԹԳnlich anwesend war, bin ich Augen- und Ohrenzeuge dieses unglaublichen politischen Drucks geworden, den Ankara auf die deutsche Politik in dieser Sache ausթԹԶbt.
Sie denken, der Einfluss der tթԹԶrkischen Regierung reicht so weit?
Auf Umwegen gelegentlich, ja. Auch viele in Deutschland lebende TթԹԶrken denken stramm nationalistisch. Und besuchen Abendveranstaltungen von eingeflogenen tթԹԶrkischen Ideologen, die den VթԹԳlkermord als Erfindung des Westens darstellen. TթԹԶrkische MitbթԹԶrger haben auch schon deutsche Politiker dazu bewogen, unsere Arbeit zu behindern. Ich baue mit Kollegen von der UniversitթԹ)t Halle-Wittenberg ja seit zehn Jahren das Johannes-Lepsius-Archiv in Potsdam wieder auf. Der Theologe Johannes Lepsius hat schon 1896 ein armenisches Hilfswerk gegrթԹԶndet und die erste Dokumentation թԹԶber den VթԹԳlkermord geschrieben. TթԹԶrkische Diplomatie hat versucht, das Lepsius-Haus zu verhindern, und MinisterprթԹ)sident Matthias Platzeck unter Druck gesetzt. Der tթԹԶrkische Botschafter hat uns vorgeworfen, wir wollten die TթԹԶrkei destabilisieren.
Worum streitet die TթԹԶrkei?
Die tթԹԶrkische Regierung weigert sich bis heute, die Massaker 1915 und in den folgenden Jahren mit bis zu 1,5 Millionen ermordeten Armeniern als Genozid anzuerkennen. Sie behauptet, die damalige Regierung hթԹ)tte die Deportation von Armeniern lediglich aus GrթԹԶnden der StaatsrթԹ)son, zum Selbstschutz des Staates betrieben. թժberfթԹ)lle von kurdischen Banden auf Armenier seien nicht mit Billigung der Regierung geschehen, der Hungertod vieler Armenier in der WթԹԶste nie billigend in Kauf genommen, ErschieթժԴungen seien die Ausnahme gewesen.
Das heiթժԴt: Die TթԹԶrkei gibt Massaker zu, aber bestreitet einen VթԹԳlkermord?
Ja, eine spitzfindige Unterscheidung, in der auch Tote aufgerechnet werden. Die TթԹԶrkei spricht von 300 000 Opfern, Armenien von leider realistischen 1,5 Millionen.
Wie sieht ein Historiker die Ereignisse?
Der Deportationsbeschluss von 1915 war in Wirklichkeit ein Mordbefehl. Es wurde auch gesagt, die Leute gleich zu ermorden, wթԹ)re barmherziger gewesen, statt sie hin- und herzuschicken, bis sie verdursteten oder erschlagen wurden.թԹեAghetթԹ,, wie die groթժԴe Katastrophe auf Armenisch genannt wird, war vor dem Holocaust der erste geplante VթԹԳlkermord in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Anhand dieses VթԹԳlkermords prթԹ)gte der polnisch-jթԹԶdische Jurist Raphael Lemkin den Begriff Genozid, der 1948 als Straftatbestand im VթԹԳlkerrecht eingefթԹԶhrt wurde.
Glaubt der tթԹԶrkische MinisterprթԹ)sident Erdogan selbst an seine offizielle Position?
Ich bin sicher, nein. VթԹԳlkermord verjթԹ)hrt nicht. WթԹԶrde er anerkannt werden, mթԹԶsste man auch թԹԶber Wiedergutmachungsleistungen reden, es gibt tթԹԶrkische Diplomaten, die sogar eine RթԹԶckgabe von Immobilien
erwթԹ)gen.
Sie glauben, der tթԹԶrkische MinisterprթԹ)sident sagt die Unwahrheit wegen des Geldes und einiger Immobilien?
Vermutlich. Es gibt allerdings auch viele Menschen in der TթԹԶrkei, die nicht թԹԶber die Beweislage informiert sind.
Was ist also mit Erdogan?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Dokumente kennt. Ich denke aber auch, er will sie gar nicht kennen.
Welche Dokumente wթԹԶrden ihn denn թԹԶberzeugen?
Viele internationale Diplomaten berichteten aus den Gebieten, wo 1915 die Massaker stattfanden, an ihre Botschaften. Diese Berichte sind alle zugթԹ)nglich und zum GroթժԴteil sogar verթԹԳffentlicht. Allein die Berichte des Johannes Lepsius, dessen Archiv wir aufbauen, reichen aus, um sich von den AusmaթժԴen des Verbrechens zu թԹԶberzeugen. Lepsius hat schon den frթԹԶheren VթԹԳlkermord 1894 bis 1896 dokumentiert, als bis zu 300 000 Armenier im Osmanischen Reich ermordet wurden. Diese erste Dokumentation trթԹ)gt bezeichnenderweise den Titel:թԹ Armenien und Europa. Eine Anklageschrift wider die christlichen GroթժԴmթԹ)chte und ein Aufruf an das
christliche Deutschland.
sz-magazin.sueddeutsche.de
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http://www.youtube.com/watch?v=PmB9MXH2d4I&feature=related-9
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Hermann Goltz:թԹ Sie kennen die Radio-Eriwan-Antwort: im Prinzip ja. Wissenschaftler waren nie so gefթԹ)hrdet wie der ermordete armenisch-tթԹԶrkische Journalist Hrant Dink, wie Politiker oder Schriftsteller, deswegen treffen uns nur selten unappetitliche AnwթԹԶrfe in irgendwelchen obskuren Chatrooms im Internet.
Sie waren wissenschaftlicher Berater fթԹԶr den DokumentarfilmթԹ Aghet (Anmerkung:թԹ hier sehen Sie den Film), der vor zwei Wochen im deutschen Fernsehen gezeigt wurde. Haben Sie sich vor radikalen TթԹԶrken gefթԹԶrchtet?
Ich befթԹԶrchtete vor allem die թԹԶblichen VerhinderungsmaթժԴnahmen tթԹԶrkischer Politiker.
Wie meinen Sie das?
Als ich im Jahr 2005 an der Armenien-Resolution des deutschen Bundestags mitarbeitete, schickte das tթԹԶrkische Parlament Abgeordneten-Gruppen aus allen Fraktionen nach Berlin, die mit einem groթժԴen Aufwand von Geld und Zeit jede Fraktion des deutschen Bundestages einzeln թԹեbearbeitetenթԹ,. Da ich als Berater der deutschen Seite bei diesen GesprթԹ)chen persթԹԳnlich anwesend war, bin ich Augen- und Ohrenzeuge dieses unglaublichen politischen Drucks geworden, den Ankara auf die deutsche Politik in dieser Sache ausթԹԶbt.
Sie denken, der Einfluss der tթԹԶrkischen Regierung reicht so weit?
Auf Umwegen gelegentlich, ja. Auch viele in Deutschland lebende TթԹԶrken denken stramm nationalistisch. Und besuchen Abendveranstaltungen von eingeflogenen tթԹԶrkischen Ideologen, die den VթԹԳlkermord als Erfindung des Westens darstellen. TթԹԶrkische MitbթԹԶrger haben auch schon deutsche Politiker dazu bewogen, unsere Arbeit zu behindern. Ich baue mit Kollegen von der UniversitթԹ)t Halle-Wittenberg ja seit zehn Jahren das Johannes-Lepsius-Archiv in Potsdam wieder auf. Der Theologe Johannes Lepsius hat schon 1896 ein armenisches Hilfswerk gegrթԹԶndet und die erste Dokumentation թԹԶber den VթԹԳlkermord geschrieben. TթԹԶrkische Diplomatie hat versucht, das Lepsius-Haus zu verhindern, und MinisterprթԹ)sident Matthias Platzeck unter Druck gesetzt. Der tթԹԶrkische Botschafter hat uns vorgeworfen, wir wollten die TթԹԶrkei destabilisieren.
Worum streitet die TթԹԶrkei?
Die tթԹԶrkische Regierung weigert sich bis heute, die Massaker 1915 und in den folgenden Jahren mit bis zu 1,5 Millionen ermordeten Armeniern als Genozid anzuerkennen. Sie behauptet, die damalige Regierung hթԹ)tte die Deportation von Armeniern lediglich aus GrթԹԶnden der StaatsrթԹ)son, zum Selbstschutz des Staates betrieben. թժberfթԹ)lle von kurdischen Banden auf Armenier seien nicht mit Billigung der Regierung geschehen, der Hungertod vieler Armenier in der WթԹԶste nie billigend in Kauf genommen, ErschieթժԴungen seien die Ausnahme gewesen.
Das heiթժԴt: Die TթԹԶrkei gibt Massaker zu, aber bestreitet einen VթԹԳlkermord?
Ja, eine spitzfindige Unterscheidung, in der auch Tote aufgerechnet werden. Die TթԹԶrkei spricht von 300 000 Opfern, Armenien von leider realistischen 1,5 Millionen.
Wie sieht ein Historiker die Ereignisse?
Der Deportationsbeschluss von 1915 war in Wirklichkeit ein Mordbefehl. Es wurde auch gesagt, die Leute gleich zu ermorden, wթԹ)re barmherziger gewesen, statt sie hin- und herzuschicken, bis sie verdursteten oder erschlagen wurden.թԹեAghetթԹ,, wie die groթժԴe Katastrophe auf Armenisch genannt wird, war vor dem Holocaust der erste geplante VթԹԳlkermord in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Anhand dieses VթԹԳlkermords prթԹ)gte der polnisch-jթԹԶdische Jurist Raphael Lemkin den Begriff Genozid, der 1948 als Straftatbestand im VթԹԳlkerrecht eingefթԹԶhrt wurde.
Glaubt der tթԹԶrkische MinisterprթԹ)sident Erdogan selbst an seine offizielle Position?
Ich bin sicher, nein. VթԹԳlkermord verjթԹ)hrt nicht. WթԹԶrde er anerkannt werden, mթԹԶsste man auch թԹԶber Wiedergutmachungsleistungen reden, es gibt tթԹԶrkische Diplomaten, die sogar eine RթԹԶckgabe von Immobilien
erwթԹ)gen.
Sie glauben, der tթԹԶrkische MinisterprթԹ)sident sagt die Unwahrheit wegen des Geldes und einiger Immobilien?
Vermutlich. Es gibt allerdings auch viele Menschen in der TթԹԶrkei, die nicht թԹԶber die Beweislage informiert sind.
Was ist also mit Erdogan?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Dokumente kennt. Ich denke aber auch, er will sie gar nicht kennen.
Welche Dokumente wթԹԶrden ihn denn թԹԶberzeugen?
Viele internationale Diplomaten berichteten aus den Gebieten, wo 1915 die Massaker stattfanden, an ihre Botschaften. Diese Berichte sind alle zugթԹ)nglich und zum GroթժԴteil sogar verթԹԳffentlicht. Allein die Berichte des Johannes Lepsius, dessen Archiv wir aufbauen, reichen aus, um sich von den AusmaթժԴen des Verbrechens zu թԹԶberzeugen. Lepsius hat schon den frթԹԶheren VթԹԳlkermord 1894 bis 1896 dokumentiert, als bis zu 300 000 Armenier im Osmanischen Reich ermordet wurden. Diese erste Dokumentation trթԹ)gt bezeichnenderweise den Titel:թԹ Armenien und Europa. Eine Anklageschrift wider die christlichen GroթժԴmթԹ)chte und ein Aufruf an das
christliche Deutschland.
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