Am 24. April vor hundert Jahren begann der VթԹԳlkermord an den Armeniern. Im Bundestag sollte dem so gedacht werden թ§Չ-Չ dann schritten die Spitzen von Union und SPD ein.
Kurz vor dem 100-jթԹ)hrigen Jahrestag des Genozids an den Armeniern gibt es im Bundestag Streit թԹԶber ein angemessenes Gedenken. WթԹ)hrend GrթԹԶne und Linke sich dafթԹԶr aussprechen, den VթԹԳlkermord als solchen zu benennen, gibt es in der Bundesregierung und den Spitzen der Koalitionsfraktionen Vorbehalte dagegen. Offenbar fթԹԶrchtet man den Konflikt mit der TթԹԶrkei, die bis heute die Einstufung der damaligen Massaker als VթԹԳlkermord ablehnt.
Am 24. April ist anlթԹ)sslich des Jahrestags eine einstթԹԶndige Debatte im Bundestag verabredet. Doch in dem gemeinsamen Antragsentwurf, den Union und SPD zu diesem Termin einbringen wollen, taucht das Wort VթԹԳlkermord nur in der BegrթԹԶndung auf թ§Չ-Չ so wie in einer fraktionsթԹԶbergreifenden Resolution, die bereits vor zehn Jahren im Bundestag verabschiedet wurde.
Dabei bezeichnen zahlreiche Parlamente sowie LթԹ)nder, darunter Frankreich, die Vertreibung und Vernichtung der Armenier heute als VթԹԳlkermord. Vor hundert Jahren, am 24. April 1915, wurde im damaligen Osmanischen Reich auf Befehl der jungtթԹԶrkischen Bewegung die armenische politische und kulturelle Elite Istanbuls verhaftet, ins Landesinnere verschleppt und grթԹԳթժԴtenteils ermordet.
In der Folge kam es zu zahlreichen weiteren Deportationen und Massakern. Nach Berechnungen von Historikern fielen diesen թԹԶber eine Million Armenier zum Opfer. Nach armenischen Angaben kamen damals 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Die TթԹԶrkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reichs hթԹ)lt diese Zahl fթԹԶr թԹԶberhթԹԳht und bestreitet bis heute, dass es sich um einen VթԹԳlkermord gehandelt habe. Die offizielle Darstellung lautet, dass bei einer Zwangsumsiedlung der Armenier viele Menschen ums Leben gekommen seien.
An entscheidender Stelle fehlte der Mut
Im Bundestag hatte in den vergangenen Monaten eine informelle Arbeitsgruppe mit Politikern aus allen vier Fraktionen darթԹԶber beraten, wie man mit dem Jahrestag umgehen wolle. FթԹԶr den GrթԹԶnen-Abgeordneten Cem թՉzdemir und die Linken-Politikerin Petra Pau war dabei klar, dass sie mit ihren jeweiligen Fraktionen den VթԹԳlkermord auch als solchen bezeichnen wollen. Doch auch die zustթԹ)ndigen Berichterstatter von Union und SPD, Christoph Bergner und Dietmar Nietan, wollten zum hundertsten Jahrestag weiter gehen als noch vor zehn Jahren.
In dem gemeinsamen Text, den sie Ende vergangener Woche formuliert hatten, stand das Wort VթԹԳlkermord in der թժberschrift. Doch nach թժberarbeitung durch die Fraktionsspitzen und das AuswթԹ)rtige Amt ist der umstrittene Begriff mittlerweile wieder verschwunden. Offenbar befթԹԶrchtet man dort, dass der Affront gegenթԹԶber der TթԹԶrkei zu einem ungթԹԶnstigen Zeitpunkt kթԹ)me. Im Juni stehen dort Wahlen an. AuթժԴerdem wird die TթԹԶrkei als Partner im Kampf gegen die Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS) benթԹԳtigt. EndgթԹԶltig werden die Koalitionsabgeordneten bei ihrer nթԹ)chsten Fraktionssitzung am 21. April թԹԶber den Antrag abstimmen. Doch es gilt als wahrscheinlich, dass der Begriff VթԹԳlkermord erneut nur in der BegrթԹԶndung genannt wird.
Der SPD-Politiker Nietan findet das bedauerlich. “Ich persթԹԳnlich bin enttթԹ)uscht, dass es anscheinend an entscheidender Stelle an Mut fehlt, einmal auszusprechen, was wirklich geschehen ist”, sagt er. Er halte es nicht fթԹԶr hilfreich, sich dem Druck aus der TթԹԶrkei zu beugen und das Wort VթԹԳlkermord nicht auszusprechen. In den letzten vergangenen zehn Jahren habe sich auch dort die Debatte verթԹ)ndert, sagt Nietan. “Wenn das deutsche Parlament den VթԹԳlkermord offen benennt, wթԹԶrden wir auch denjenigen in der Zivilgesellschaft in der TթԹԶrkei den RթԹԶcken stթԹ)rken, die sich fթԹԶr eine Aufarbeitung einsetzen.”
Auch sein CDU-Kollege Bergner findet, “dass wir versuchen sollten, die Dimension, welche die Ereignisse vor 100 Jahren hatten, klar zu benennen”. FթԹԶr die Entwicklung der UN-Konvention gegen VթԹԳlkermord seien die Massenmorde an den Armenien ein wichtiger Ankerpunkt gewesen.
GroթժԴe Koalition streicht das Wort VթԹԳlkermord
Falsche RթԹԶcksicht auf ErdoթժԴan?
Im AuswթԹ)rtigen Amt heiթժԴt es hingegen, eine Erinnerungskultur kթԹԳnne nicht “von auթժԴen und oben verordnet werden”, wie der Staatsminister fթԹԶr Europa, Michael Roth, sagt. Sie brauche Raum und Zeit, um in der jeweiligen Gesellschaft zu wachsen. “Wir begrթԹԶթժԴen, dass das unendliche Leid, die Vertreibung und die Ermordung der Armenier seit einigen Jahren in der TթԹԶrkei kein Tabu mehr darstellen und darթԹԶber թԹԳffentlich, auch kritisch, diskutiert wird”, sagt der SPD-Politiker.
Die TթԹԶrkei und Armenien ermutige man, in ihrem BemթԹԶhen um AnnթԹ)herung nicht nachzulassen, ohne Vorbedingungen an die jeweils andere Seite. Die Bundesregierung setze sich “mit Nachdruck” dafթԹԶr ein, dass die Massaker und Vertreibungen an den Armeniern in den Jahren 1915/16 im Rahmen einer umfassenden wissenschaftlichen Debatte erforscht und bewertet wթԹԶrden. “Uns ist es wichtig, zur VerstթԹ)ndigung und VersթԹԳhnung zwischen Armeniern und TթԹԶrken beizutragen, indem wir auch weiterhin Projekte des Dialogs und Austauschs fթԹԳrdern”, sagte Roth weiter.
Der GrթԹԶnen-Vorsitzende թՉzdemir hթԹ)lt dies jedoch nicht fթԹԶr ausreichend. Er kritisiert, dass die Bundesregierung auch 100 Jahre nach dem Genozid nicht bereit sei, den VթԹԳlkermord beim Namen zu nennen. “Dabei steht die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Kaiserreiches und damit des damals engsten VerbթԹԶndeten des Osmanischen Reiches in der Mitverantwortung”, sagt er. Als militթԹ)rischer HauptverbթԹԶndeter war das Deutsche Reich damals թԹԶber die Vertreibungen und Ermordungen der Armenier informiert, die Reichsleitung unterlieթժԴ es aber, auf den Partner Druck auszuթԹԶben.
Deutschland kթԹԳnnte Druck auf Ankara erhթԹԳhen
Der tթԹԶrkisch-stթԹ)mmige Politiker թՉzdemir war Mitte MթԹ)rz zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Ekin DeligթԹԳz zu einem dreitթԹ)gigen Besuch in Armenien. Auf seiner Reise sei er gefragt worden, ob neben Frankreichs PrթԹ)sident FranթԹ«ois Hollande auch Kanzlerin Angela Merkel nach Eriwan zur Gedenkfeier am 24. April reise, berichtet թՉzdemir. Dass fթԹԶr die Bundesregierung Staatsminister Roth teilnehme, werde dem Anlass nicht gerecht, kritisiert er. “Aus falscher RթԹԶcksichtnahme auf Herrn ErdoթժԴan spielt die Bundesregierung den VթԹԳlkermord an den Armeniern runter թ§Չ-Չ ein wթԹԶrdevolles Verhalten gegenթԹԶber den Opfern und ihren Nachfahren sieht anders aus.”
Besonders frappierend findet թՉzdemir, dass Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sich wegducke. “Sonst sieht er sich als Anwalt bedrթԹ)ngter Christen weltweit, aber zum Genozid am թԹ)ltesten christlichen Volk der Welt, dessen Leid wir als VerbթԹԶndeter damals nicht verhindert haben, ist nichts von ihm zu hթԹԳren.”
In die Bundestagsdebatte zum Gedenktag am 24. April werden die Koalitionsfraktionen und die Opposition mit drei verschiedenen AntrթԹ)gen gehen. Doch es sei nicht ausgeschlossen, dass man sich womթԹԳglich nach den Beratungen im AuswթԹ)rtigen Ausschuss auf einen gemeinsamen Antrag verstթԹ)ndigen kթԹԳnne, heiթժԴt es. Das wթԹԶrde allerdings voraussetzen, dass auch die Abgeordneten von SPD und Union bereit sind, den VթԹԳlkermord eindeutig als solchen zu benennen. GrթԹԶne und Linke im Bundestag wթԹԶrden auթժԴerdem gerne eine թԹԳffentliche AnhթԹԳrung mit Experten zu dem Thema durchsetzen. Doch ob dies von den Koalitionsfraktionen unterstթԹԶtzt wird, ist noch offen.
GrթԹԶnen-Chef թՉzdemir jedenfalls findet, dass Deutschland mit seinem Einlenken viel Positives in der Region bewegen kթԹԳnnte. “Es wթԹԶrde den Druck auf Ankara erhթԹԳhen, die Beziehung zu Armenien zu normalisieren und die Grenze zu թԹԳffnen. Die TթԹԶrkei kթԹԳnnte zwischen Armenien und Aserbaidschan im Konflikt um Berg-Karabach vermitteln, das WettrթԹԶsten der Kaukasusrepubliken eindթԹ)mmen”, sagt er. Anstatt Armenien weiter in die Arme Russlands zu treiben, kթԹԳnne die GrenzթԹԳffnung zur TթԹԶrkei fթԹԶr Eriwan auch ein Tor nach Europa werden, erwartet der GrթԹԶnen-Politiker.
zeit.de
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