{"id":726,"date":"2010-05-11T16:05:01","date_gmt":"2010-05-11T16:05:01","guid":{"rendered":"http:\/\/www.aaeurop.com\/?p=726"},"modified":"2010-05-11T16:05:01","modified_gmt":"2010-05-11T16:05:01","slug":"unerwunschte-erinnerung-%e2%80%93-geleugnete-geschichte-der-volkermord-an-den-armeniern","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.aaeurop.com\/?p=726","title":{"rendered":"UNERW\u0569\u0083\u056a\u0093NSCHTE ERINNERUNG \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0549\u0080\u009c GELEUGNETE GESCHICHTE: DER V\u0569\u0083\u0549\u0080\u0093LKERMORD AN DEN ARMENIERN"},"content":{"rendered":"
Seit der Untat von 1915, derer wir heute gedenken, hat sich immer wieder aufs Neue gezeigt, dass V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermorde planm\u0569\u0083\u0539)\u0569\u0083\u056a\u0534ig und kaltbl\u0569\u0083\u0539\u0536tig in Szene gesetzt sind, dass sie Ergebnis systematischer Planung sind, und auch die Handlungsmuster sind gel\u0569\u0083\u0539)ufig. Schuldzuweisung an eine ethnische, religi\u0569\u0083\u0539\u0533se, kulturelle Minderheit, ihre Verfolgung unter dem Vorwand, die Mehrheit sei provoziert worden, macht in der Regel den Anfang. Es folgt die \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537politische L\u0569\u0083\u0539\u0533sung\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d, die als \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537ethnische S\u0569\u0083\u0539)uberung\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d, als Umsiedlung, als friedensstiftende Ma\u0569\u0083\u056a\u0534nahme verk\u0569\u0083\u0539\u0536ndet und in den Formen von Vertreibung, Raub und Mord praktiziert wird. Die Abl\u0569\u0083\u0539)ufe und Zusammenh\u0569\u0083\u0539)nge darzustellen ist sp\u0569\u0083\u0539)ter die Obliegenheit der Historiker. Aber das akademische Interesse kann nicht Selbstzweck sein. Das Ergebnis historischer Forschung geht alle an, nicht zuletzt die Politiker, die Verantwortung f\u0569\u0083\u0539\u0536r den \u0569\u0083\u0539)u\u0569\u0083\u056a\u0534eren und inneren Frieden der Nationen tragen. \u0569\u0083\u0549\u0080\u0093ffentliche Erinnerung ist Teil der politischen Kultur zivilisierter Gesellschaften. Dazu geh\u0569\u0083\u0539\u0533rt aber auch das Erinnern an unselige Ereignisse, dazu geh\u0569\u0083\u0539\u0533rt das Eingest\u0569\u0083\u0539)ndnis historischer Schuld.<\/p>\n
Die Nachfolger des l\u0569\u0083\u0539)ngst vergangenen Osmanischen Reiches verweigern dieses Eingest\u0569\u0083\u0539)ndnis bis zum heutigen Tag. In unverst\u0569\u0083\u0539)ndlicher Aufwallung nationaler Leidenschaft reagierte die t\u0569\u0083\u0539\u0536rkische Regierung, aber auch die mediale \u0569\u0083\u0549\u0080\u0093ffentlichkeit, darauf, dass das franz\u0569\u0083\u0539\u0533sische Parlament in einem sp\u0569\u0083\u0539)ten legislativen Akt die Anerkennung des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords an den Armeniern beschlossen hat. Das war die Feststellung einer historischen Tatsache, nicht mehr. Darauf gr\u0569\u0083\u0539\u0536nden sich keine rechtlichen Forderungen, es ergeben sich auch keine drohenden Nachteile f\u0569\u0083\u0539\u0536r die T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei. Es war ein symbolischer Akt der Gerechtigkeit und der Anerkennung gegen\u0569\u0083\u0539\u0536ber den Armeniern franz\u0569\u0083\u0539\u0533sischer Nationalit\u0569\u0083\u0539)t. Und es war ein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein der Parlamentarier gegen\u0569\u0083\u0539\u0536ber geschichtlicher Erkenntnis.<\/p>\n
Aber die T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei hat reagiert, als sei ihr der Krieg erkl\u0569\u0083\u0539)rt worden. Politik und Medien geb\u0569\u0083\u0539)rdeten sich, um Geschichte zu leugnen, als seien sie existentiell bedroht. Das t\u0569\u0083\u0539\u0536rkische Aufb\u0569\u0083\u0539)umen gegen die historische Realit\u0569\u0083\u0539)t erinnert an die Emotionen in Deutschland, mit denen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg Realit\u0569\u0083\u0539)t verweigert und nationalistischer Wahn glorifiziert wurde. Das waren \u0569\u0083\u0539\u0536brigens auch Hinweise auf mangelndes Selbstbewusstsein.<\/p>\n
Zur Selbstgerechtigkeit gibt es in Deutschland und \u0569\u0083\u0549\u0080\u0093sterreich keinen Grund. Dem verb\u0569\u0083\u0539\u0536ndeten Osmanischen Reich ist die kaiserliche deutsche Regierung seinerzeit trotz vorhandenen Unbehagens genau so wenig wie die Regierung \u0569\u0083\u0549\u0080\u0093sterreich-Ungarns nicht in den Arm gefallen, das Wissen \u0569\u0083\u0539\u0536ber den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord wurde milit\u0569\u0083\u0539)rischen und b\u0569\u0083\u0539\u0536ndnisstrategischen Erw\u0569\u0083\u0539)gungen nachgeordnet. Sp\u0569\u0083\u0539)ter, in den 20er Jahren, konnte aber keiner behaupten, er habe nichts gewusst. Es gab Publizisten und Literaten, die \u0569\u0083\u0539\u0533ffentlich in Wort und Schrift den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord zum Thema machten. Armin T. Wegner, der expressionistische Schriftsteller, der als deutscher Sanit\u0569\u0083\u0539)tssoldat Augenzeuge der Massaker geworden war, bem\u0569\u0083\u0539\u0536hte sich um Aufkl\u0569\u0083\u0539)rung. Ein Vortrag, den er im M\u0569\u0083\u0539)rz 1919 in Berlin hielt, endete in Tumult und hatte deshalb reichlich Publizit\u0569\u0083\u0539)t.<\/p>\n
Eine Sensation war dann nicht nur das Attentat des jungen Armeniers Soromon Tehlerjan (Salomon Teilirian) auf einen der Hauptschuldigen des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords, auf den ehemaligen Innenminister des osmanischen Reiches, Talaat Pascha, im M\u0569\u0083\u0539)rz 1921 in Berlin auf der Hardenbergstra\u0569\u0083\u056a\u0534e. Die zweite Sensation war der Freispruch des gest\u0569\u0083\u0539)ndigen Attent\u0569\u0083\u0539)ters nach zweit\u0569\u0083\u0539)giger Verhandlung im Juni 1921 vor dem Schwurgericht des Landgerichts III zu Berlin. Es war eine Sternstunde der Justiz, m\u0569\u0083\u0539\u0533glicherweise eine Sternstunde irdischer Gerechtigkeit, dass der gest\u0569\u0083\u0539)ndige, durch den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord pers\u0569\u0083\u0539\u0533nlich traumatisierte Soromon Tehlerjan freigesprochen wurde. Die sorgf\u0569\u0083\u0539)ltige Beweisaufnahme des Gerichts hat au\u0569\u0083\u056a\u0534erdem jeden Zweifel an der Realit\u0569\u0083\u0539)t des Genozids, an seiner Planung und Durchf\u0569\u0083\u0539\u0536hrung ausger\u0569\u0083\u0539)umt.<\/p>\n
Zur Ph\u0569\u0083\u0539)nomenologie des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords geh\u0569\u0083\u0539\u0533rt seine \u0569\u0083\u0549\u0080\u0093ffentlichkeit und die gleichzeitige Teilnahmslosigkeit der Nicht-Betroffenen. Der Genozid an den Armeniern geschah, wie nur zweieinhalb Jahrzehnte danach der Holocaust, unter den Augen der Welt. Der amerikanische Konsul im ostanatolischen Harpet berichtete nach Washington, was er bei Inspektionsreisen in seinem Amtsbezirk im Herbst 1915 beobachtet hatte: \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Wir sch\u0569\u0083\u0539)tzen, dass wir w\u0569\u0083\u0539)hrend unserer Rundreise um den G\u0569\u0083\u0539\u0533ljuk-See binnen 24 Stunden die sterblichen \u0569\u0083\u056a\u0093berreste von mehr als 10.000 ermordeten Armeniern gesehen haben. Dabei handelt es sich nat\u0569\u0083\u0539\u0536rlich um Sch\u0569\u0083\u0539)tzungen, denn von manchen waren nur noch Skelette \u0569\u0083\u0539\u0536brig, in anderen F\u0569\u0083\u0539)llen fanden wir aufgebl\u0569\u0083\u0539)hte, stinkende K\u0569\u0083\u0539\u0533rper von Menschen, die wohl erst vor einigen Tagen get\u0569\u0083\u0539\u0533tet worden waren\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u00bb Immer entdeckte ich bei meinen Reisen im Gebiet des G\u0569\u0083\u0539\u0533ljuk-Sees Skelette oder Knochen – erst k\u0569\u0083\u0539\u0536rzlich wieder, einige Wochen vor meiner Abreise aus Harpet.\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d<\/p>\n
Im Vergleich mit dem V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord, den das nationalsozialistische Deutschland gegen die Juden plante und durchf\u0569\u0083\u0539\u0536hrte, machte sich die Regierung des osmanischen Reiches im Herbst 1915 wenig M\u0569\u0083\u0539\u0536he, ihre Absichten zu verschleiern. Dokumente, die das beweisen, gibt es genug. In Erlassen an nachgeordnete Beh\u0569\u0083\u0539\u0533rden f\u0569\u0083\u0539\u0536hrte der Innenminister eine offene Sprache. Am 15. September 1915 verf\u0569\u0083\u0539\u0536gte er: \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Es ist bereits mitgeteilt worden, dass die Regierung beschlossen hat, alle Armenier, die in der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei wohnen, g\u0569\u0083\u0539)nzlich auszurotten. Diejenigen, die sich diesem Befehl und diesem Beschluss widersetzen, verlieren ihre Staatsangeh\u0569\u0083\u0539\u0533rigkeit. Ohne R\u0569\u0083\u0539\u0536cksicht auf Frauen, Kinder und Kranke, so tragisch die Mittel der Ausrottung auch sein m\u0569\u0083\u0539\u0533gen, ist, ohne auf die Gef\u0569\u0083\u0539\u0536hle des Gewissens zu h\u0569\u0083\u0539\u0533ren, ihrem Dasein ein Ende zu machen.\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d<\/p>\n
Am 23. November 1915 ergeht die ultimative Weisung an die Pr\u0569\u0083\u0539)fektur von Aleppo: \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Rotten Sie mit geheimen Mitteln jeden Armenier der \u0569\u0083\u0539\u0533stlichen Provinzen aus, den Sie in Ihrem Gebiete finden sollten.\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d, und am 1. Dezember erreicht den Pr\u0569\u0083\u0539)fekten in Aleppo wieder eine chiffrierte Depesche des Innenministers, in der mangelnder Verfolgungseifer bei der \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Ausrottung der fraglichen Personen\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d ger\u0569\u0083\u0539\u0536gt und noch einmal klargestellt wurde, worum es ging: \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Der Ort der Verbannung derartiger Unruhestifter ist das Nichts\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d. An Deutlichkeit lie\u0569\u0083\u056a\u0534 auch die Mitteilung vom 15. Januar 1916 nichts zu w\u0569\u0083\u0539\u0536nschen \u0569\u0083\u0539\u0536brig: \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Wir erfahren, dass man in die an gewissen Orten er\u0569\u0083\u0539\u0533ffneten Waisenh\u0569\u0083\u0539)user auch die Kinder der bekannten Personen aufnimmt. Da die Regierung deren Dasein f\u0569\u0083\u0539\u0536r sch\u0569\u0083\u0539)dlich h\u0569\u0083\u0539)lt, so hei\u0569\u0083\u056a\u0534t es den W\u0569\u0083\u0539\u0536nschen der Regierung zuwiderhandeln, wenn man diese Kinder ern\u0569\u0083\u0539)hrt und ihr Leben verl\u0569\u0083\u0539)ngert, als ob man Mitleid mit ihnen haben d\u0569\u0083\u0539\u0536rfte; sei es, dass man den wahrhaften Zweck nicht begreift, sei es, dass man ihn nicht beachtet\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d. Und ein letztes Beispiel an regierungsamtlichem Klartext, das in der Argumentation an Begr\u0569\u0083\u0539\u0536ndungen denken l\u0569\u0083\u0539)sst, wie sie die nationalsozialistische Ideologie eines rassistischen \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Rechts des St\u0569\u0083\u0539)rkeren\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d Jahrzehnte sp\u0569\u0083\u0539)ter verwendete: \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Zu einer Zeit, wo Tausende von muselmanischen Auswanderern und Kriegerwitwen des Schutzes und der Nahrung bed\u0569\u0083\u0539\u0536rfen, ist es nicht ang\u0569\u0083\u0539)ngig, Geld auszugeben, um die Kinder der bekannten Personen zu ern\u0569\u0083\u0539)hren, die in der Zukunft zu nichts anderem dienen werden, als gef\u0569\u0083\u0539)hrlich zu sein.\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d<\/p>\n
W\u0569\u0083\u0539)hrend des Ersten Weltkriegs, unter Zensur, wurde in Deutschland und \u0569\u0083\u0549\u0080\u0093sterreich das Wissen amtlicher Stellen geheimgehalten und aus Staatsr\u0569\u0083\u0539)son der \u0569\u0083\u0549\u0080\u0093ffentlichkeit gegen\u0569\u0083\u0539\u0536ber unterdr\u0569\u0083\u0539\u0536ckt. Die Pressekonferenz der kaiserlichen deutschen Regierung am 7. Oktober 1915 hing den Journalisten einen Maulkorb um und sorgte f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Sprachregelung: \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537\u0569\u0083\u056a\u0093ber die Armeniergreuel ist folgendes zu sagen: Unsere freundschaftlichen Beziehungen zur T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei d\u0569\u0083\u0539\u0536rfen durch diese innert\u0569\u0083\u0539\u0536rkische Verwaltungsangelegenheit nicht nur nicht gef\u0569\u0083\u0539)hrdet, sondern im gegenw\u0569\u0083\u0539)rtigen, schwierigen Augenblick nicht einmal gepr\u0569\u0083\u0539\u0536ft werden. Deshalb ist es einstweilen Pflicht zu schweigen. Sp\u0569\u0083\u0539)ter, wenn direkte Angriffe des Auslandes wegen deutscher Mitschuld erfolgen sollten, mu\u0569\u0083\u056a\u0534 man die Sache mit gr\u0569\u0083\u0539\u0533\u0569\u0083\u056a\u0534ter Vorsicht und Zur\u0569\u0083\u0539\u0536ckhaltung behandeln und sp\u0569\u0083\u0539)ter vorgeben, dass die T\u0569\u0083\u0539\u0536rken schwer von den Armeniern gereizt wurden.\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d Zweieinhalb Monate sp\u0569\u0083\u0539)ter, am 23. Dezember 1915, wurden die Journalisten angewiesen: \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537\u0569\u0083\u056a\u0093ber die armenische Frage wird am besten geschwiegen. Besonders l\u0569\u0083\u0539\u0533blich ist das Verhalten der t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Machthaber in dieser Frage nicht!\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d<\/p>\n
Den Verb\u0569\u0083\u0539\u0536ndeten der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei war der Genozid also kein Geheimnis. Im Mai 1915 hatte der deutsche Botschafter in Istanbul offiziell erfahren, dass eine \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Umsiedlung\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d armenischer Familien nach Mesopotamien geplant war, im Juni berichtet er dem Ausw\u0569\u0083\u0539)rtigen Amt nach Berlin, der t\u0569\u0083\u0539\u0536rkische Innenminister habe sich \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537dahin ausgesprochen, dass die Pforte den Weltkrieg dazu benutzen wollte, um mit ihren inneren Feinden (den einheimischen Christen) gr\u0569\u0083\u0539\u0536ndlich aufzur\u0569\u0083\u0539)umen, ohne dabei durch die diplomatische Intervention des Auslandes gest\u0569\u0083\u0539\u0533rt zu werden\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d, und am 7. Juli 1915 berichtete die deutsche Vertretung \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537die Art der Umsiedlung zeige, dass die Regierung tats\u0569\u0083\u0539)chlich den Zweck verfolgt, die armenische Rasse im t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Reiche zu vernichten\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d.<\/p>\n
An \u0569\u0083\u0539\u0533ffentlich zug\u0569\u0083\u0539)nglichen Quellen \u0569\u0083\u0539\u0536ber den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord, an amtlichen Akten herrscht ebenso wenig Mangel wie an Augenzeugenberichten, von \u0569\u0083\u056a\u0093berlebenden wie von ausl\u0569\u0083\u0539)ndischen Beobachtern. Die Tatsache des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords am armenischen Volk steht au\u0569\u0083\u056a\u0534er jedem Zweifel. Sowohl die Evidenz des Geschehens im einzelnen wie dessen Dimension, eine und eine halbe Million Tote, unendliche Grausamkeit gegen die Opfer, Sadismus, Freude an der Qual und am Untergang der Todgeweihten – dies alles ist belegt und gesichert.<\/p>\n
In der Gewissheit, dass es keine \u0569\u0083\u056a\u0093berlebenden geben werde, erz\u0569\u0083\u0539)hlten die Wach- und Begleitmannschaften ihren Opfern, was bereits geschehen war, welche Intentionen bestanden, welches Ziel der Genozid haben sollte. Auf die Frage eines armenischen Geistlichen, der geglaubt hatte, nur M\u0569\u0083\u0539)nner seien Objekte des Mordens, erkl\u0569\u0083\u0539)rte ihm der t\u0569\u0083\u0539\u0536rkische Gendarmeriehauptmann, wenn man nur die M\u0569\u0083\u0539)nner totschlage, dann gebe es nach 50 Jahren wieder ein paar Millionen Armenier: \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Wir m\u0569\u0083\u0539\u0536ssen also auch Frauen und Kinder totschlagen, damit f\u0569\u0083\u0539\u0536r immer keine inneren und \u0569\u0083\u0539)u\u0569\u0083\u056a\u0534eren Unruhen mehr kommen.\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d<\/p>\n
Der V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern ist seit einiger Zeit ein Thema der politischen Agenda. Die Europ\u0569\u0083\u0539)ische Gemeinschaft will sich das Reifezeugnis der t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Nation vorlegen lassen, ehe sie in der Union begr\u0569\u0083\u0539\u0536\u0569\u0083\u056a\u0534t werden kann. Das Reifezeugnis kann aber nicht nur in Deklamationen zu den Menschenrechten bestehen oder in der Einstellung des Prozesses gegen einen Schriftsteller, der zu prominent ist, um ihn verurteilen zu k\u0569\u0083\u0539\u0533nnen, weil er \u0569\u0083\u0539\u0536ber den Genozid die Wahrheit gesagt hat, es muss auch die Anerkennung der historischen Realit\u0569\u0083\u0539)t, des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords an den Armeniern zum Gegenstand haben. Es hat mit R\u0569\u0083\u0539\u0536cksicht auf die vielen T\u0569\u0083\u0539\u0536rken in der Bundesrepublik lange gedauert, bis Deutschland dem Vorbild Belgiens, Griechenlands, Schwedens und Frankreichs folgte und den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord \u0569\u0083\u0539\u0533ffentlich anerkannte. Lange war das verweigert worden und die Begr\u0569\u0083\u0539\u0536ndung, mit der ein stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion im Februar 2001 das Thema abtat, war grotesk: Nicht die Abgeordneten seien gefragt, hatte er erkl\u0569\u0083\u0539)rt, sondern die Historiker. Das ist ein merkw\u0569\u0083\u0539\u0536rdiges Verst\u0569\u0083\u0539)ndnis der Dinge. Historiker haben sich lange und gr\u0569\u0083\u0539\u0536ndlich mit dem V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern besch\u0569\u0083\u0539)ftigt, den Sachverhalt beschrieben und die Katastrophe beim Namen genannt: V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord.<\/p>\n
Der Deutsche Bundestag hat schlie\u0569\u0083\u056a\u0534lich am 21. April 2005 eine Dreiviertelstunde lang \u0569\u0083\u0539\u0536ber den Tagesordnungspunkt \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Gedenken anl\u0569\u0083\u0539)sslich des 90. Jahrestages des Auftakts zu Vertreibungen und Massakern an den Armeniern am 24. April 1915\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u0561 diskutiert. Deutschland m\u0569\u0083\u0539\u0536sse zur Vers\u0569\u0083\u0539\u0533hnung zwischen T\u0569\u0083\u0539\u0536rken und Armeniern beitragen, lautete die Absicht. Die Redner waren sachkundig, zeigten sich \u0569\u0083\u0539\u0536ber die historischen Ereignisse gut informiert. Die Abgeordneten waren auch sehr zufrieden mit ihrem Tun, spendeten sich f\u0569\u0083\u0539\u0536r den Ernst und die W\u0569\u0083\u0539\u0536rde und die Einm\u0569\u0083\u0539\u0536tigkeit Beifall und verabschiedeten am 16. Juni 2005 einstimmig eine Resolution, die alles zunichte machte. Um den voraussehbaren Ausbruch t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischer Paranoia zu verhindern, war nicht vom Genozid die Rede – das ist die geplante, organisierte und ideologisch begr\u0569\u0083\u0539\u0536ndete Vernichtung einer ethnischen oder kulturellen Gruppe, eines Volkes – sondern von \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Vertreibungen\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d und \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Massakern\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d. Nur einmal, in der Begr\u0569\u0083\u0539\u0536ndung, hei\u0569\u0083\u056a\u0534t es distanziert, zahlreiche unabh\u0569\u0083\u0539)ngige Historiker w\u0569\u0083\u0539\u0536rden \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537die Vertreibung und Vernichtung der Armenier als V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d bezeichnen. Die T\u0569\u0083\u0539\u0536rken, denen man eine Lektion in Erinnerungskultur erteilen wollte, ohne ihnen durch schmerzliche Wahrheit zu nahe zu treten, haben die Behutsamkeit und den leisen Tritt nicht gedankt. Regierungschef Erdogan \u0569\u0083\u0539)u\u0569\u0083\u056a\u0534erte sich beleidigend \u0569\u0083\u0539\u0536ber seinen Kollegen in Berlin und dort rumorten t\u0569\u0083\u0539\u0536rkische Patrioten auf der Stra\u0569\u0083\u056a\u0534e, demonstrierten mit kr\u0569\u0083\u0539)ftiger Wallung nationalen Gef\u0569\u0083\u0539\u0536hls ihr Geschichtsverst\u0569\u0083\u0539)ndnis.<\/p>\n
Zu lernen gibt es auf beiden Seiten noch vieles. Die Politiker m\u0569\u0083\u0539\u0536ssen erkennen, dass sprachliche Kosmetik nichts hilft, dass Wut kein Mittel gegen die historische Wahrheit ist. \u0569\u0083\u0549\u0080\u009ergerlich und kontraproduktiv ist jedenfalls der beliebige Umgang mit Begriffen, die pr\u0569\u0083\u0539)zise definierte Sachverhalte beschreiben, die nicht austauschbar sind, die aber politischem Kalk\u0569\u0083\u0539\u0536l folgend verwendet werden. Das Massaker ist etwas anderes als der Pogrom, \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537ethnische S\u0569\u0083\u0539)uberung\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0539\u009d ist nicht das gleiche wie Vertreibung. V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord als organisierter Vernichtungswille einer Intention folgend und nach einem System praktiziert ist H\u0569\u0083\u0539\u0533hepunkt und nicht steigerbare Summe von Exzessen und Massakern, die Deportation oder Austreibung einschlie\u0569\u0083\u056a\u0534en und nie auf Zufall oder pl\u0569\u0083\u0539\u0533tzlichem Anlass beruhen. Der Genozid wird mit den Methoden des Massakers, der Exekution, des Todesmarsches, der Verelendung im Lager ver\u0569\u0083\u0539\u0536bt, er l\u0569\u0083\u0539)sst sich jedoch nicht verharmlosen durch die Reduktion auf eine seiner Methoden.<\/p>\n
Die Erinnerung an diesen V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord wurde lange Zeit nur von einigen Literaten, Pazifisten, Engagierten beschworen. F\u0569\u0083\u0539\u0536r die internationale \u0569\u0083\u0549\u0080\u0093ffentlichkeit sank der Genozid an den Armeniern allzu rasch ins Unterbewusste. Politisches Kalk\u0569\u0083\u0539\u0536l, Druck und Drohungen erzwangen das Vergessen. Die Existenz der \u0569\u0083\u056a\u0093berlebenden und ihrer Nachkommen steht seither unter einem doppelten Trauma, der unverj\u0569\u0083\u0539)hrbaren Last des Erlittenen und der zus\u0569\u0083\u0539)tzlichen B\u0569\u0083\u0539\u0536rde durch die Leugnung, durch das Nichternst-Nehmen und Nichtwahrhabenwollen des Verbrechens. Die Behauptung, dieser Genozid sei nicht geschehen oder so nicht geschehen, wie er von den Opfern erfahren wurde, bedeutet eine zus\u0569\u0083\u0539)tzliche Kr\u0569\u0083\u0539)nkung der Erinnerungsgemeinschaft, der damit ihre Wahrnehmung und die Wahrhaftigkeit ihres kollektiven Ged\u0569\u0083\u0539)chtnisses abgesprochen wird, der damit auch jede Aussicht auf Erl\u0569\u0083\u0539\u0533sung vom Schmerz genommen ist.<\/p>\n
Die historische Wahrheit ist durch Akklamation, Parteinahme oder Kompromissformeln nicht manipulierbar. Sie l\u0569\u0083\u0539)sst sich nur aus authentischen Dokumenten, Berichten, Aussagen, aus den Quellen erschlie\u0569\u0083\u056a\u0534en. Das ist im Falle des Genozids an den Armeniern, Aram\u0569\u0083\u0539)ern, Syrischen Christen im Osmanischen Reich gr\u0569\u0083\u0539\u0536ndlich geschehen. Umso r\u0569\u0083\u0539)tselhafter das Unterfangen eines amerikanischen Historikers, ohne neue Quellen nur durch Abw\u0569\u0083\u0539)gen der in der Literatur vertretenen Meinungen und Positionen einen Beitrag zur armenisch-t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Auss\u0569\u0083\u0539\u0533hnung leisten zu wollen. Das Motiv besteht m\u0569\u0083\u0539\u0533glicherweise darin, nur einen einzigen Genozid, den Judenmord, zu kanonisieren. Dieser Historiker kommt jedenfalls zu der Erkenntnis, gemeinsame empirische Studien von Armeniern und T\u0569\u0083\u0539\u0536rken seien fruchtbarer als die Genoziddebatte. Wenn jemand vorschl\u0569\u0083\u0539\u0536ge, Holocaustleugner sollten gemeinsam mit den Opfern des Judenmords oder deren Nachkommen empirische Studien \u0569\u0083\u0539\u0536ber den Genozid an den Juden treiben, um die Wahrheit herauszufinden, er w\u0569\u0083\u0539\u0536rde Unverst\u0569\u0083\u0539)ndnis erregen.<\/p>\n
Die Ermordung der Armenier und anderer christlicher Minderheiten ist auch ein Trauma der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei: Die Zw\u0569\u0083\u0539)nge aus Nationalstolz, der die individuelle Negierung der b\u0569\u0083\u0539\u0533sen Fama gebietet, und Staatsdoktrin, die die kollektive Erinnerung an das Staatsverbrechen untersagt (bzw. nur eine Version zul\u0569\u0083\u0539)sst, die sich auf Schuldumkehr gr\u0569\u0083\u0539\u0536ndet und die Armenier zu Verr\u0569\u0083\u0539)tern macht, derer man sich erwehren musste), konstellieren den Zwang der Verweigerung. Das erkl\u0569\u0083\u0539)rt die reflexartigen Proteste t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischer Patrioten und die offiziellen Demarchen der t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Politik, wenn der Genozid als historisches Faktum konstatiert und seine quantitative Dimension benannt wird. Aber es gibt Hoffnung. Die Ank\u0569\u0083\u0539\u0536ndigung einer Gedenkveranstaltung in der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei am heutigen 24. April 2010, initiiert von t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Intellektuellen, geh\u0569\u0083\u0539\u0533rt dazu. Ebenso die Dokumentation Aghet, die im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Und die Teilnahme von T\u0569\u0083\u0539\u0536rken und Kurden an dieser Gedenkfeier und die bewegende Rede des Vertreters des Friedensrats der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei.<\/p>\n
Das Gedenken an den Genozid ist notwendig. Denn zuerst und vor allen anderen sind die Nachkommen der Opfer traumatisiert. Ihnen schuldet die jeweilige Mehrheitsgesellschaft in der Diaspora (ebenso wie die V\u0569\u0083\u0539\u0533lkergemeinschaft dem Staat Armenien) die historische Wahrheit. Das ist nicht mehr als die Feststellung, dass ein V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord geschehen ist, dass Armenier die Opfer waren, dass die Regierung des Osmanischen Reiches den Genozid inszeniert hat, dass auch die Verb\u0569\u0083\u0539\u0536ndeten der Osmanen, Deutschland und \u0569\u0083\u0549\u0080\u0093sterreich, davon wussten und die Untat geschehen lie\u0569\u0083\u056a\u0534en, dass die Welt davon wusste und die Augen schloss.<\/p>\n
Das ist die Wahrheit. Und diese Wahrheit ist das Minimum, das wir den Opfern und ihren Nachkommen schulden.<\/p>\n
Prof. Dr. Wolfgang Benz<\/strong><\/p>\n <\/strong>(Vortrag bei der Gedenkveranstaltung am 24.4.2010 in Hamburg)<\/p>\n armenieninfo.net<\/p>\n photo by google<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Seit der Untat von 1915, derer wir heute gedenken, hat sich immer wieder aufs Neue gezeigt, dass V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermorde planm\u0569\u0083\u0539)\u0569\u0083\u056a\u0534ig und kaltbl\u0569\u0083\u0539\u0536tig in Szene gesetzt sind, dass sie Ergebnis systematischer Planung sind, und auch die Handlungsmuster […]<\/a><\/p>\n<\/div><\/div><\/div><\/div><\/div><\/div><\/div><\/div>","protected":false},"author":1,"featured_media":727,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_kadence_starter_templates_imported_post":false,"footnotes":""},"categories":[10],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/posts\/726"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=%2Fwp%2Fv2%2Fcomments&post=726"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/posts\/726\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/media\/727"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=%2Fwp%2Fv2%2Fmedia&parent=726"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=%2Fwp%2Fv2%2Fcategories&post=726"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.aaeurop.com\/index.php?rest_route=%2Fwp%2Fv2%2Ftags&post=726"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}