{"id":25279,"date":"2020-10-20T08:46:14","date_gmt":"2020-10-20T08:46:14","guid":{"rendered":"http:\/\/www.aaeurop.com\/?p=25279"},"modified":"2020-10-20T08:46:16","modified_gmt":"2020-10-20T08:46:16","slug":"der-krieg-um-berg-karabach-oder-warum-neutralitat-parteinahme-ist","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.aaeurop.com\/?p=25279","title":{"rendered":"Der Krieg um Berg-Karabach – oder: Warum “Neutralit\u0569\u0083\u0539)t” Parteinahme ist"},"content":{"rendered":"\n
In der Berichterstattung der deutschen Leitmedien \u0569\u0083\u0539\u0536ber den wieder aufgeflammten Krieg um Berg-Karabach dominiert eine Pseudo-Objektivit\u0569\u0083\u0539)t, die de facto auf eine \u0569\u0083\u056a\u0093bernahme des aserbaidschanischen Narrativs hinausl\u0569\u0083\u0539)uft. Die Fakten sind aber deutlich komplizierter<\/p>\n\n\n\n
“Viele versuchen dem Radikalismus zu entgehen, indem sie ‘die Wahrheit in der Mitte suchen’. Das klingt einigerma\u0569\u0083\u056a\u0534en abgekl\u0569\u0083\u0539)rt, ist aber nicht unbedingt aufgekl\u0569\u0083\u0539)rt. Denn die Wahrheit folgt keinen geometrischen Vorgaben. Hier irrt sich der ‘Extremismus der Mitte’.” S\u0569\u0083\u0539)tze von Michael Schmidt-Salomon<\/a>, die exakt auf die aktuelle Berichterstattung der deutschen Medien \u0569\u0083\u0539\u0536ber den am 27. September wieder aufgetauten kriegerischen Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach (armenisch: Arzach) gem\u0569\u0083\u0539\u0536nzt sein k\u0569\u0083\u0539\u0533nnten!<\/p>\n\n\n\n Seit die K\u0569\u0083\u0539)mpfe vor drei Wochen wieder aufflammten, kommt besonders in den \u0569\u0083\u0539\u0533ffentlich-rechtlichen Medien fast kein Bericht \u0569\u0083\u0539\u0536ber die aktuelle Lage ohne drei gratis mitgelieferte Kommentare<\/a> aus:<\/p>\n\n\n\n Drei S\u0569\u0083\u0539)tze – und fast alles falsch! Bis auf die Tatsache, dass Aserbaidschan – massiv – von der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei unterst\u0569\u0083\u0539\u0536tzt wird. Daher hier zun\u0569\u0083\u0539)chst drei kurze Richtigstellungen, bevor die ausf\u0569\u0083\u0539\u0536hrlichen Begr\u0569\u0083\u0539\u0536ndungen folgen.<\/p>\n\n\n\n Berg-Karabach ist eine im \u0569\u0083\u0539\u0533stlichen S\u0569\u0083\u0539\u0536dkaukasus zwischen der heutigen Republik Armenien im Westen, der Republik Aserbaidschan im Osten und dem Iran im S\u0569\u0083\u0539\u0536den gelegene Bergregion ungef\u0569\u0083\u0539)hr von der doppelten Gr\u0569\u0083\u0539\u0533\u0569\u0083\u056a\u0534e des Saarlands, die seit Jahrhunderten \u0569\u0083\u0539\u0536berwiegend von Armeniern bewohnt und, wie nicht zuletzt die zahlreichen uralten Kirchen und Kl\u0569\u0083\u0539\u0533ster augenf\u0569\u0083\u0539)llig machen, kulturell gepr\u0569\u0083\u0539)gt ist. Gegenw\u0569\u0083\u0539)rtig leben dort knapp 150.000 Armenier.<\/p>\n\n\n\n Anfang des 19. Jahrhunderts, nach dem russisch-persischen Krieg, fiel das Gebiet unter die Herrschaft des russischen Zaren. Allerdings wurde Nagorny Karabach, wie es auf Russisch hei\u0569\u0083\u056a\u0534t, nicht dem seit 1828 unter russischer Herrschaft befindlichen Ostarmenien, dem “Gouvernement Eriwan” – geographisch in weiten Teilen identisch mit der heutigen Republik Armenien – zugeschlagen. Bereits der Zar strebte danach, ethnisch eindeutige Mehrheitsgebiete zu verhindern und gliederte daher – “Teile und herrsche!” – die Region Berg-Karabach dem mehrheitlich von Aseris bewohnten Gouvernement Jelisawetpol (heute: G\u0569\u0089\u0549\u0084\u00a7nc\u0569\u0089\u0549\u0084\u00a7) an, das nach der Oktoberrevolution Anfang der zwanziger Jahre Teil der Sowjetrepublik Aserbaidschan wurde.<\/p>\n\n\n\n Die in Ostanatolien und anderen Teilen des osmanischen Reichs lebenden Westarmenier wurden im 19. Jahrhundert mehrfach Opfer schlimmster regierungsamtlich gef\u0569\u0083\u0539\u0533rderter Pogrome und Massaker – allein zwischen 1894 und 1896 wurden unter der Herrschaft von Sultan Abdul Hamid II. bis zu 300.000 Armenier von der osmanischen Obrigkeit und mit ihr verb\u0569\u0083\u0539\u0536ndeten kurdischen Hamidiye-Banden ermordet -, bevor 1915 das “Komitee f\u0569\u0083\u0539\u0536r Einheit und Fortschritt” (\u0569\u0084\u0539\u055bttihat) der sogenannten Jungt\u0569\u0083\u0539\u0536rken im Schatten des I. Weltkriegs mit stillschweigender Billigung der Regierung des deutschen Reichs einen bis heute von der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei nicht anerkannten Genozid an der armenischen Bev\u0569\u0083\u0539\u0533lkerung ver\u0569\u0083\u0539\u0536bte, dem bis zu anderthalb Millionen Armenier zum Opfer fielen – die Mehrheit von ihnen wurde auf Todesm\u0569\u0083\u0539)rschen buchst\u0569\u0083\u0539)blich in die mesopotamische W\u0569\u0083\u0539\u0536ste getrieben – und den sich sp\u0569\u0083\u0539)ter Hitler zum Vorbild f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Ermordung der europ\u0569\u0083\u0539)ischen Juden nahm.<\/p>\n\n\n\n Dieser erste europ\u0569\u0083\u0539)ische Genozid in der Geschichte des XX. Jahrhunderts und dessen Leugnung bis auf den heutigen Tag durch die Nachfahren der T\u0569\u0083\u0539)ter sind seitdem das<\/em> Trauma aller Armenier, wo auch immer sie auf der Welt leben, und es gibt keine armenische Familie, die nicht Opfer zu beklagen h\u0569\u0083\u0539)tte.<\/p>\n\n\n\n Den \u0569\u0083\u0539\u0536berlebenden Armeniern in den \u0569\u0083\u0539\u0533stlichen Siedlungsgebieten, denen im August 1920 im (niemals ratifizierten) Friedensvertrag von S\u0569\u0083\u0539\u2014vres ein Phantasiereich zugesprochen worden war, das sie nie in Besitz nehmen sollten, blieb nur noch die Wahl zwischen den verhassten Bolschewiki und den noch verhassteren T\u0569\u0083\u0539\u0536rken. Am 5. Juli 1921 beschloss das “Transkaukasische Komitee” der jungen Sowjetunion unter Vorsitz des Volkskommissars f\u0569\u0083\u0539\u0536r Nationalit\u0569\u0083\u0539)tenfragen, Josif Stalin, den Anschluss Nagorny-Karabachs gegen den Willen der lokalen Bev\u0569\u0083\u0539\u0533lkerung, die zu diesem Zeitpunkt zu 94 Prozent aus Armeniern bestand, an die Sowjetrepublik Aserbaidschan – nachdem dasselbe Komitee noch einen Tag zuvor (in Abwesenheit des sp\u0569\u0083\u0539)teren Diktators) den Beschluss gefasst hatte, das Gebiet der armenischen Sowjetrepublik anzuschlie\u0569\u0083\u056a\u0534en!<\/p>\n\n\n\n Ganze 24 Stunden hatte die Region zu Armenien geh\u0569\u0083\u0539\u0533rt. Aber wie f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Zaren ein Jahrhundert zuvor, war es auch Stalins Ziel, die kaukasischen V\u0569\u0083\u0539\u0533lker gegeneinander auszuspielen. Seitdem bildete Nagorny Karabach fast die gesamte folgende Sowjetepoche \u0569\u0083\u0539\u0536ber einen Autonomen Oblast (NKAO) innerhalb der Aserbaidschanischen SSR.<\/p>\n\n\n\n Ende der 1980er Jahre, zur Zeit von Gorbatschows Perestroika, gerieten die Dinge in Bewegung. Im Februar und im November 1988 sowie im Januar 1989 kam es in den aserbaidschanischen St\u0569\u0083\u0539)dten Sumgait, Kirowabad (heute: G\u0569\u0089\u0549\u0084\u00a7nc\u0569\u0089\u0549\u0084\u00a7) und in der Hauptstadt Baku zu blutigen antiarmenischen Pogromen, bei denen insgesamt mehrere hundert Armenier von gewaltt\u0569\u0083\u0539)tigen Mobs auf offener Stra\u0569\u0083\u056a\u0534e und in ihren H\u0569\u0083\u0539)usern massakriert wurden.<\/p>\n\n\n\n Im November 1988 war mit ersten Massenfluchten aus dem n\u0569\u0083\u0539\u0533rdlichen Berg-Karabach ins benachbarte Armenien die Logik der “ethnischen S\u0569\u0083\u0539)uberungen” langsam in Gang gekommen. Sie nahm schnell an Fahrt auf: Nach den Pogromen in Baku flohen um die 300.000 Armenier aus Aserbaidschan ins benachbarte Armenien und andere Sowjetrepubliken und 200.000 in Armenien lebende Aseris nach Aserbaidschan. Es begannen Kampfhandlungen zwischen bewaffneten Einheiten Aserbaidschans auf der einen und Armeniern – aus der gleichnamigen Sowjetrepublik und Karabach – auf der anderen Seite. Die Moskauer Zentralgewalt, die Truppen schickte, konnte den Konflikt bestenfalls zeitweise eind\u0569\u0083\u0539)mmen.<\/p>\n\n\n\n Als dann am 30. August 1991 die aserbaidschanische SSR sich f\u0569\u0083\u0539\u0536r unabh\u0569\u0083\u0539)ngig und ihren Austritt aus der Sowjetunion erkl\u0569\u0083\u0539)rte, spaltete sich drei Tage sp\u0569\u0083\u0539)ter, am 2. September, der Autonome Oblast Nagorny Karabach von Aserbaidschan, das diese Region zudem jahrzehntelang \u0569\u0083\u0539\u0533konomisch stark vernachl\u0569\u0083\u0539)ssigt hatte, ab und erkl\u0569\u0083\u0539)rte sich zur unabh\u0569\u0083\u0539)ngigen Sowjetrepublik innerhalb der damals noch existierenden UdSSR.<\/p>\n\n\n\n Karabach berief sich dabei auf das am 3. April des Vorjahres erlassene Unionsgesetz “\u0569\u0083\u056a\u0093ber das Verfahren der Entscheidung von Fragen, die mit dem Austritt einer Unionsrepublik verbunden sind”, das in einer Schutzklausel jedem Autonomen Gebiet das Recht einr\u0569\u0083\u0539)umte, sich von einer neugegr\u0569\u0083\u0539\u0536ndeten ehemaligen Sowjetrepublik loszul\u0569\u0083\u0539\u0533sen. Best\u0569\u0083\u0539)tigt wurde dies am 10. Dezember 1991 durch die Bev\u0569\u0083\u0539\u0533lkerung Berg-Karabachs, die in einem Referendum, an dem 82,2 Prozent der Bewohner teilnehmen, mit 99,89 Prozent der abgegebenen Stimmen f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Sezession von Aserbaidschan stimmte.<\/p>\n\n\n\n Mit dem Zerfall der Sowjetunion Ende 1991 mutierte der innerstaatliche Konflikt zwischen Armeniern und Aseris zu einem zwischenstaatlichen Krieg, der Mitte 1994 mit einem De-facto-Sieg Armeniens, das seitdem Schutzmacht Karabachs ist und aus strategischen Gr\u0569\u0083\u0539\u0536nden sieben Anrainerprovinzen als Pufferzone besetzt h\u0569\u0083\u0539)lt, vorerst endete. Genauer gesagt: Der Konflikt wurde eingefroren. Am 12. Mai 1994 unterzeichneten die kriegf\u0569\u0083\u0539\u0536hrenden Parteien in Moskau ein Waffenstillstandsabkommen. Der Krieg im S\u0569\u0083\u0539\u0536dkaukasus hatte Zehntausenden Menschen das Leben gekostet, von beiden Seiten waren – auch das geh\u0569\u0083\u0539\u0533rt zur Wahrheit – Massaker an der Zivilbev\u0569\u0083\u0539\u0533lkerung ver\u0569\u0083\u0539\u0536bt worden und die bis dato in Karabach lebenden Aseris mussten ihre Heimat Richtung Aserbaidschan verlassen, wo die Mehrheit von ihnen seitdem in Fl\u0569\u0083\u0539\u0536chtlingscamps vegetiert.<\/p>\n\n\n\n Kurz: Stalins b\u0569\u0083\u0539\u0533se Saat war Jahrzehnte sp\u0569\u0083\u0539)ter tats\u0569\u0083\u0539)chlich aufgegangen!<\/p>\n\n\n\n Und dies gilt bis auf den heutigen Tag, denn die zum Teil willk\u0569\u0083\u0539\u0536rlich gezogenen Grenzen der damaligen Sowjetrepubliken wurden nach dem Zerfall der UdSSR unter Ausblendung des Unionsgesetzes vom April 1990 “v\u0569\u0083\u0539\u0533lkerrechtlich” legitimiert. Dass damit das geltende V\u0569\u0083\u0539\u0533lkerrecht, genauer: dessen voluntaristische Interpretation, zum posthumen Apologeten stalinistischen Unrechts mutierte – Analoges gilt ja auch f\u0569\u0083\u0539\u0536r Chruschtschows Willk\u0569\u0083\u0539\u0536rakt der “Schenkung” der Krim an die Ukrainische SSR -, dies ist eine besonders schr\u0569\u0083\u0539)ge Kapriole der Geschichte, die niemals angemessen thematisiert, geschweige denn aufgearbeitet wurde.<\/p>\n\n\n\n Aber das im V\u0569\u0083\u0539\u0533lkerrecht angelegte – und nie befriedigend zu l\u0569\u0083\u0539\u0533sende – Spannungsverh\u0569\u0083\u0539)ltnis zwischen staatlicher Souver\u0569\u0083\u0539)nit\u0569\u0083\u0539)t und dem Selbstbestimmungsrecht der V\u0569\u0083\u0539\u0533lker wird bekanntlich sp\u0569\u0083\u0539)testens seit dem Kosovokrieg und der Anerkennung der ehemals autonomen Provinz in Jugoslawien als Staat durch den Westen von den gro\u0569\u0083\u056a\u0534en weltpolitischen Playern eh stets so ausgelegt, wie es ihnen geopolitisch gerade in den Kram passt!<\/p>\n\n\n\n Halten wir fest: Die Abspaltung Berg-Karabachs war nicht nur legitim, sie war legal, denn sie vollzog sich konform zum damals geltenden sowjetischen Staatsrecht.<\/em> Wenn unsere Medien nahezu unisono gebetsm\u0569\u0083\u0539\u0536hlenartig und pseudo-objektiv wiederholen, Karabach geh\u0569\u0083\u0539\u0533re “v\u0569\u0083\u0539\u0533lkerrechtlich zu Aserbaidschan”, so bedienen sie damit den aserbaidschanischen Narrativ, sprich: sie nehmen – bewusst oder unbewusst – subkutan Partei f\u0569\u0083\u0539\u0536r Aserbaidschan.<\/p>\n\n\n\n Die pseudoneutrale Berichterstattung in den meisten deutschen Qualit\u0569\u0083\u0539)ts- und auch einigen Alternativmedien bedient sich eines Tricks, den man neumodisch mit einem nicht besonders sch\u0569\u0083\u0539\u0533nen, aber eing\u0569\u0083\u0539)ngigen Wort als “Bothsideism” bezeichnen k\u0569\u0083\u0539\u0533nnte. Das hei\u0569\u0083\u056a\u0534t: Man verwendet Argumentationsmuster und Formulierungen, die suggerieren, hier w\u0569\u0083\u0539\u0536rden zwei gleichrangige, vor allem: gleich schuldige Kontrahenten mit vergleichbar starken Waffensystemen einander attackieren. Der beliebteste Satz lautet entsprechend: “Armenien und Aserbaidschan werfen sich gegenseitig vor …” Hier muss einiges geradeger\u0569\u0083\u0539\u0536ckt werden.<\/p>\n\n\n\n Bereits die Bev\u0569\u0083\u0539\u0533lkerungszahlen sprechen f\u0569\u0083\u0539\u0536r sich: In Aserbaidschan leben um die zehn Millionen Menschen, in Armenien knapp drei Millionen und in Karabach\/Arzach, wie erw\u0569\u0083\u0539)hnt, knapp 150.000. Aserbaidschan ist dank sprudelnder Erd\u0569\u0083\u0539\u0533lquellen und gewaltiger Gasfelder ein sehr reiches Land – was allerdings nicht bedeutet, dass der Reichtum auch der Bev\u0569\u0083\u0539\u0533lkerungsmehrheit zugute k\u0569\u0083\u0539)me. Armenien und erst recht Arzach verf\u0569\u0083\u0539\u0536gen dagegen kaum \u0569\u0083\u0539\u0536ber nennenswerte Bodensch\u0569\u0083\u0539)tze. “Hayastan – Karastan” (“Armenien – Land der Steine”) lautet bezeichnenderweise ein bekanntes armenisches Sprichwort.<\/p>\n\n\n\n Beide von Armeniern bewohnten L\u0569\u0083\u0539)nder sind arm – was sich nat\u0569\u0083\u0539\u0536rlich nicht zuletzt auf den R\u0569\u0083\u0539\u0536stungshaushalt und damit auf die Ausstattung der Streitkr\u0569\u0083\u0539)fte auswirkt. Bereits im Krieg Anfang der 1990er Jahre waren die Armenier, was Truppenst\u0569\u0083\u0539)rke wie Quantit\u0569\u0083\u0539)t und Qualit\u0569\u0083\u0539)t der Waffensysteme angeht, den hochger\u0569\u0083\u0539\u0536steten Aserbaidschanern hoffnungslos unterlegen. (Den Armeniern gelang es dennoch, den Konflikt zu ihren Gunsten zu entscheiden.) In den letzten Jahren hat Aserbaidschan mithilfe feudaler Petrodollareinnahmen massiv aufger\u0569\u0083\u0539\u0536stet: Zwischen 2009 und 2018 betrugen die Ausgaben f\u0569\u0083\u0539\u0536r das Milit\u0569\u0083\u0539)r umgerechnet 24 Milliarden US-Dollar<\/a>, w\u0569\u0083\u0539)hrend Armenien im gleichen Zeitraum vier Milliarden US-Dollar f\u0569\u0083\u0539\u0536r die R\u0569\u0083\u0539\u0536stung ausgab. Mittlerweile ist der aserbaidschanische Milit\u0569\u0083\u0539)retat ungef\u0569\u0083\u0539)hr so gro\u0569\u0083\u056a\u0534 wie der gesamte Staatshaushalt Armeniens<\/a>.<\/p>\n\n\n\n Auch die Gesellschaftssysteme sind v\u0569\u0083\u0539\u0533llig kontr\u0569\u0083\u0539)r: Aserbaidschan wird regiert von einer kleptokratischen Clique, dem Aliyev-Clan, der seit 1993 das Land despotisch beherrscht, Oppositionelle mundtot macht und mit Hilfe der \u0569\u0083\u0539\u0536ppigen Erd\u0569\u0083\u0539\u0533lerl\u0569\u0083\u0539\u0533se auch die Stimmung in der Europ\u0569\u0083\u0539)ischen Union zu beeinflussen sucht. Einige korrupte deutsche Politiker\/innen<\/a> lie\u0569\u0083\u056a\u0534en sich bereits erfolgreich f\u0569\u0083\u0539\u0536r die proaserbaidschanische Propaganda einspannen. Armenien dagegen erlebt seit der friedlichen, von der \u0569\u0083\u0539\u0536berw\u0569\u0083\u0539)ltigenden Mehrheit der Bev\u0569\u0083\u0539\u0533lkerung getragenen “samtenen Revolution” vom Fr\u0569\u0083\u0539\u0536hjahr 2018 einen demokratischen Aufschwung. Das Land ist dabei, sich von den alten korrupten Strukturen zu befreien. Mangels Bodensch\u0569\u0083\u0539)tze beginnt es, in die K\u0569\u0083\u0539\u0533pfe der Menschen zu investieren, in Digitalisierung und IT.<\/p>\n\n\n\n Bezogen auf Karabach haben die Armenier beider L\u0569\u0083\u0539)nder nur ein Interesse: die Sicherung des Status quo und – mittelfristig – die internationale Anerkennung als selbst\u0569\u0083\u0539)ndiger Staat. Zu glauben (oder zu suggerieren), ausgerechnet das kleine Arzach habe das hochger\u0569\u0083\u0539\u0536stete Aserbaidschan zu dem neuen kriegerischen Konflikt provoziert, ist daher absurd!<\/p>\n\n\n\n Kommen wir zum letzten Mantra unserer Leitmedien, der Behauptung, Aserbaidschan werde von der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei, Armenien dagegen von Russland unterst\u0569\u0083\u0539\u0536tzt. Dieser Satz ist wahr und falsch zugleich.<\/p>\n\n\n\n Wahr ist er in Bezug auf die T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei, die das turkst\u0569\u0083\u0539)mmige Aserbaidschan als Brudervolk – “Eine Nation, zwei Staaten” – und Br\u0569\u0083\u0539\u0536cke zur Realisierung weitausgreifender neo-osmanischer Tr\u0569\u0083\u0539)ume betrachtet. Tr\u0569\u0083\u0539)ume, denen das christliche Armenien schon geographisch im Wege steht. Die T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei beliefert Aserbaidschan mit modernster Milit\u0569\u0083\u0539)rtechnologie, unter anderem mit Mehrfachraketenwerfern und Kampfdrohnen<\/a>, in die auch deutsche R\u0569\u0083\u0539\u0536stungs-Hightech<\/a> miteinfloss. T\u0569\u0083\u0539\u0536rkische F-16-Kampfflugzeuge operieren<\/a> seit Beginn des Krieges von der 65 Kilometer \u0569\u0083\u0539\u0533stlich von Armenien entfernten Luftbasis G\u0569\u0089\u0549\u0084\u00a7nc\u0569\u0089\u0549\u0084\u00a7 aus, auf die sie w\u0569\u0083\u0539)hrend aserbaidschanisch-t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischer Man\u0569\u0083\u0539\u0533ver im vergangenen August verlegt worden waren.<\/p>\n\n\n\n Aber das mit Abstand Alarmierendste ist: Die T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei finanziert dschihadistische S\u0569\u0083\u0539\u0533ldnertruppen<\/a> – die Rede ist von mehreren tausend Freisch\u0569\u0083\u0539)rlern – aus Syrien und m\u0569\u0083\u0539\u0533glicherweise jetzt auch Taliban aus den Bergen Afghanistans, die an der Grenze zu Karabach an vorderster Front k\u0569\u0083\u0539)mpfen! Mit einem Wort: Ohne massive R\u0569\u0083\u0539\u0536ckendeckung durch den Gro\u0569\u0083\u056a\u0534en Bruder am Bosporus h\u0569\u0083\u0539)tte Aserbaidschan die Kampfhandlungen mit Sicherheit nicht begonnen.<\/p>\n\n\n\n Aserbaidschan wird allerdings nicht nur von der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei milit\u0569\u0083\u0539)risch unterst\u0569\u0083\u0539\u0536tzt, mit Waffen beliefert wird es auch von Israel und – Russland<\/a>! So ist denn der Standardsatz, das christliche Armenien werde von Russland unterst\u0569\u0083\u0539\u0536tzt, noch nicht mal zur H\u0569\u0083\u0539)lfte richtig. Russland hat zwar um die 4000 Soldaten in Armenien stationiert, es beliefert Armenien ebenfalls mit Waffen und Russland ist die f\u0569\u0083\u0539\u0536hrende Milit\u0569\u0083\u0539)rmacht in der Organisation des Vertrags f\u0569\u0083\u0539\u0536r kollektive Sicherheit (OVKS), der Armenien gleichfalls angeh\u0569\u0083\u0539\u0533rt. Moskau hat aber bereits verlauten lassen, f\u0569\u0083\u0539\u0536r Angriffe auf Karabach w\u0569\u0083\u0539\u0536rde der B\u0569\u0083\u0539\u0536ndnisfall nicht gelten, da das dieses Gebiet nicht Mitglied der OVKS sei.<\/p>\n\n\n\n Ob Russland allerdings selbst im Falle schwerer Angriffe auf armenisches Kernland – zu Drohnenoperationen \u0569\u0083\u0539\u0536ber armenischem Staatsgebiet ist es bereits gekommen – zu einem milit\u0569\u0083\u0539)rischen Eingreifen bereit w\u0569\u0083\u0539)re, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Schlie\u0569\u0083\u056a\u0534lich w\u0569\u0083\u0539)re Russland dann, zumindest indirekt, in Kampfhandlungen mit dem NATO-Land T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei verstrickt. Die m\u0569\u0083\u0539\u0533glichen Folgen w\u0569\u0083\u0539)ren nicht auszudenken!<\/p>\n\n\n\n Dies mag aus russischer Sicht nachvollziehbar sein. Die Armenier allerdings f\u0569\u0083\u0539\u0536hlen sich von allen Seiten im Stich gelassen: Von Russland, das bislang lediglich auf einen Waffenstillstand dr\u0569\u0083\u0539)ngte, der sich sofort als br\u0569\u0083\u0539\u0536chig erwies, und dann zu einem vor\u0569\u0083\u0539\u0536bergehenden “humanit\u0569\u0083\u0539)ren Waffenstillstand” wurde, wie vom Westen, der keinen Finger ernsthaft krumm macht, den NATO-Partner mit den gro\u0569\u0083\u056a\u0534t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Ambitionen vom Z\u0569\u0083\u0539\u0536ndeln mit dem Feuer abzuhalten. Die durch den Genozid schwer traumatisierten Armenier haben bitter lernen m\u0569\u0083\u0539\u0536ssen, dass sie sich, wenn es Spitz auf Knauf steht, nur auf einen einzigen Akteur wirklich verlassen k\u0569\u0083\u0539\u0533nnen: auf sich selber!<\/p>\n\n\n\n Und diesmal k\u0569\u0083\u0539\u0533nnte es wirklich ernst werden. In Aserbaischan und erst recht in der hinter ihm stehenden T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei scheint man nun “N\u0569\u0083\u0539)gel mit K\u0569\u0083\u0539\u0533pfen” machen zu wollen. Aliyev hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er den Konflikt mit Armenien erst mit der R\u0569\u0083\u0539\u0536ckeroberung Karabachs f\u0569\u0083\u0539\u0536r beendet ansieht. Nein, nicht nur das: Er lie\u0569\u0083\u056a\u0534 bereits durchblicken<\/a>, dass er es auch auf Jerewan abgesehen hat.<\/p>\n\n\n\n Den Armeniern in der Republik Arzach droht im Falle einer Invasion Aserbaidschans im “g\u0569\u0083\u0539\u0536nstigsten” Falle eine brutale Massenvertreibung inclusive einer Vernichtung der jahrhundertealten armenischen Kulturg\u0569\u0083\u0539\u0536ter wie bereits in Nachitschewan und Ostanatolien. Es ist aber durchaus im Bereich des M\u0569\u0083\u0539\u0533glichen, dass aserbaidschanische Truppen im Verbund mit dschihadistischen S\u0569\u0083\u0539\u0533ldnern und unterst\u0569\u0083\u0539\u0536tzt vom gro\u0569\u0083\u056a\u0534en neo-osmanischen Bruder dann beginnen werden, das Werk der Jungt\u0569\u0083\u0539\u0536rken von 1915 zu vollenden. Sie werden sich, f\u0569\u0083\u0539)llt man ihnen nicht in den Arm, sehr wahrscheinlich auf Arzach nicht beschr\u0569\u0083\u0539)nken!<\/p>\n\n\n\n Vor genau 105 Jahren hat die Welt schon einmal tatenlos zugesehen.<\/p>\n\n\n\n Dr. Leo Ensel (“Look at the other side!”) ist Konfliktforscher und interkultureller Trainer mit Schwerpunkt “Postsowjetischer Raum und Mittel-\/Ost-Europa”. Ver\u0569\u0083\u0539\u0533ffentlichungen zu den Themen “Angst und atomare Aufr\u0569\u0083\u0539\u0536stung”, zur Sozialpsychologie der Wiedervereinigung sowie Studien \u0569\u0083\u0539\u0536ber die Deutschlandbilder im pstsowjetischen Raum. Im Neuen West-Ost-Konflikt gilt sein Hauptanliegen der \u0569\u0083\u056a\u0093berwindung falscher Narrative, der Deeskalation und der Rekonstruktion des Vertrauens.<\/p>\n\n\n\n (Leo Ensel<\/em>)<\/p>\n\n\n\n www.heise.de<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" In der Berichterstattung der deutschen Leitmedien \u0569\u0083\u0539\u0536ber den wieder aufgeflammten Krieg um Berg-Karabach dominiert eine Pseudo-Objektivit\u0569\u0083\u0539)t, die de facto auf eine \u0569\u0083\u056a\u0093bernahme des aserbaidschanischen Narrativs hinausl\u0569\u0083\u0539)uft. 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“V\u0569\u0083\u0539\u0533lkerrecht”: Willk\u0569\u0083\u0539\u0536rlich gezogene Grenzen …<\/h3>\n\n\n\n
… werden posthum legitimiert!<\/h3>\n\n\n\n
“Bothsideism”: Die falsche Neutralit\u0569\u0083\u0539)t<\/h3>\n\n\n\n
Erdo\u0569\u0084\u056a\u0534an eskaliert – Moskau mahnt<\/h3>\n\n\n\n