{"id":11836,"date":"2012-10-11T19:25:49","date_gmt":"2012-10-11T19:25:49","guid":{"rendered":"http:\/\/www.aaeurop.com\/?p=11836"},"modified":"2012-10-11T19:25:49","modified_gmt":"2012-10-11T19:25:49","slug":"arthur-manukyan-auf-der-flucht-vor-der-wahrheit-deutschland-und-der-volkermord-an-den-armeniern","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.aaeurop.com\/?p=11836","title":{"rendered":"Arthur Manukyan: Auf der Flucht vor der Wahrheit: Deutschland und der V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern"},"content":{"rendered":"

Verfolgt man den neuesten Umgang der bundesdeutschen Politik mit dem V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern, so wird unschwer erkennbar, wie sich die deutschen Spitzenpolitiker und auch der deutsche Gesetzgeber aus der Verantwortung stehlen. Die Methoden der Verschiebung der deutschen Verantwortlichkeit f\u0569\u0083\u0539\u0536r den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern in der Osmanischen T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei werden immer subtiler, die Argumentationswege der deutschen Politik anhaltend kasuistischer.<\/p>\n

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Hat es den Altkanzler Gerhard Schr\u0569\u0083\u0539\u0533der unl\u0569\u0083\u0539)ngst im Zeichen seiner unr\u0569\u0083\u0539\u0536hmlichen M\u0569\u0083\u0539)nnerfreundschaft und irrwitzer B\u0569\u0083\u0539\u0536ndnismacherei mit dem t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Ministerpr\u0569\u0083\u0539)sidenten Erdogan auf die Seite der Genozidleugner verschlagen, geht die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel andere Wege. Merkel vertritt neuerdings den aberwitzigen Standpunkt, der V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern stelle eine Angelegenheit der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei und der Republik Armenien dar. Damit er\u0569\u0083\u0539\u0536brige sich \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0549\u0080\u009c so die Logik dieser Behauptung \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0549\u0080\u009c das Aktivwerden des deutschen Gesetzgebers im Blick auf die konsequente Verurteilung und Bestrafung der allgegenw\u0569\u0083\u0539)rtigen Genozidleugnung in der Bundesrepublik.<\/p>\n

Die Einstellungen des ehemaligen und des amtierenden deutschen Regierungschefs dokumentieren auf je ihre Art zwei substantielle Sachverhalte. Zum einen wird alles Denkbare bem\u0569\u0083\u0539\u0536ht, um der althergebrachten deutschen Geschichtsvergessenheit im Blick auf den Armeniermord weiter Vorschub zu leisten. Zum anderen zeigt sich immer mehr der Wunsch der deutschen Verantwortungstr\u0569\u0083\u0539)ger, sich der ihnen offenbar l\u0569\u0083\u0539)stigen Thematik des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords und der daraus entstehenden Konsequenzen zu entledigen. Beide Stellungnahmen sind als \u0569\u0083\u0539)u\u0569\u0083\u056a\u0534erst bedenklich zu bezeichnen. Beide Vorgehensweisen auf der h\u0569\u0083\u0539\u0533chsten politischen Ebene stellen nicht nur eine deutliche Umkehrung der historischen Realit\u0569\u0083\u0539)ten dar, sondern auch das Zunichtemachen des erreichten minimalen Fortschritts in Deutschland in der Frage der Aufarbeitung des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords an den Armeniern w\u0569\u0083\u0539)hrend des Ersten Weltkriegs.<\/p>\n

Aus der Sicht der Genozid\u0569\u0083\u0539\u0536berlebenden und ihrer Nachkommen \u0569\u0083\u0539\u0536bersteigt diese neue politische Haltung die eigentliche Katastrophe des Ersten Weltkriegs um einiges mehr. Denn sie schafft erneut eine erschreckende Lebenswirklichkeit sowohl f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Nachkommen der Genozid\u0569\u0083\u0539\u0536berlebenden als auch f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Nachfahren der Menschen in den T\u0569\u0083\u0539)tergesellschaften.<\/p>\n

Und letztlich stellt sich wiederholt die Frage danach, ob Deutschland sich erneut in ein Genozidleugnerstaat verwandele oder schlicht zu keinem Zeitpunkt aufgeh\u0569\u0083\u0539\u0533rt habe, ein Genozidleugnerstaat zu sein. Auch wenn die Haltung einzelner Spitzenpolitiker nicht zwingend auf die offizielle staatliche Ebene \u0569\u0083\u0539\u0536bertragbar ist, wirkt sie gleichwohl folgenschwer und zeitigt ausgedehnte Nachahmungseffekte auf gesellschaftlicher und politischer Ebene.<\/p>\n

F\u0569\u0083\u0539\u0536r Genozid\u0569\u0083\u0539\u0536berlebende und ihre Nachfahren ist die Schuldfrage eindeutig benennbar und beme\u0569\u0083\u056a\u0534bar: Der V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern war eine geplante Tat der t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Nationalisten, die diese mit ideeller und materieller Unterst\u0569\u0083\u0539\u0536tzung des deutschen Bundesgenossen vollziehen konnten. Das deutsche Kaiserreich, in dem der Armenierhass unter den Gebildeten und Ungebildeten der Nation weit verbreitet war, leistete \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0549\u0080\u009c mit wenigen heilsamen Ausnahmen \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0549\u0080\u009c gesch\u0569\u0083\u0539)ftige Beihilfe zum Massenmord. Das wilhelminische Deutschland, das sich auf dem H\u0569\u0083\u0539\u0533hepunkt des Militarismus und des Imperialismus befand und vielf\u0569\u0083\u0539)ltige und nachhaltige politische, milit\u0569\u0083\u0539)rische und wirtschaftliche Interessen im Orient verfolgte, war auf allen Ebenen in die Vernichtung der Armenier verstrickt und daran beteiligt. Ohne die musterhafte Treue des wilhelminischen Verb\u0569\u0083\u0539\u0536ndeten waren die t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Nationalisten mitnichten im Stande, einen V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord solchen Ausma\u0569\u0083\u056a\u0534es zu bet\u0569\u0083\u0539)tigen.<\/p>\n

Obgleich sich die deutsche Historikerzunft und die deutsche Geschichtsforschung bis jetzt weitgehend diesen Fragen entzogen haben, sind diese penibel und akribisch dokumentiert. Es ist l\u0569\u0083\u0539)ngst Zeit, dass auch die deutsche Forschungslandschaft sich dieser fundamentalen Fragen annimmt. Denn die Anklage der Nachkommen der Opfer des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords durch die Regierungen der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei und Deutschlands steht im Raum und l\u0569\u0083\u0539)sst sich durch beharrliches Stillschweigen oder in Abrede stellen nicht aufarbeiten. Die Aufarbeitung des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords an den Armeniern stellt eine ureigenste Obliegenheit der Republik T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei und der Bundesrepublik Deutschland dar. Die deutsche Gesellschaft ist an dieser Stelle freilich viel weiter gekommen und die t\u0569\u0083\u0539\u0536rkische hat sich auf den Weg gemacht, sich ihrer Vergangenheit zu stellen.<\/p>\n

Das 100j\u0569\u0083\u0539)hrige Gedenken an die Opfer des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords im Jahre 2015 unter den anhaltenden politischen Konstellationen, die der Genozidleugnung und der Geschichtvergessenheit zum Erfolg verhelfen wollen, steht unausweichlich unter der erdr\u0569\u0083\u0539\u0536ckenden Last der Schuldfrage. Diejenigen, die sich bereits heute mit der Koordination und Organisation der Gedenkveranstaltungen befassen, sollten die neue gef\u0569\u0083\u0539)hrliche Stimmungslage in der bundesdeutschen Spitzenpolitik ber\u0569\u0083\u0539\u0536cksichtigen und sachgem\u0569\u0083\u0539)\u0569\u0083\u056a\u0534 darauf reagieren. Die Schuldfrage zu stellen ist allerdings kein Selbstzweck, aus ihr erw\u0569\u0083\u0539)chst Verantwortung, der sich die politische Elite der Bundesrepublik allzu gern entzieht. Auf kurz oder lang f\u0569\u0083\u0539\u0536hrt aber kein Weg an der Wahrheit vorbei.<\/p>\n

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3. Oktober 2012<\/p>\n

Arthur Manukian<\/p>\n

armenieninfo.net<\/p>\n

photo by AAE<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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