Rolf Hosfeld \u0569\u0083\u0539\u0536ber das Engagement von Johannes Lepsius f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Armenier und gegen den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord<\/p>\n
Herr Hosfeld, was macht Johannes Lepsius in Ihren Augen zu einer deutschen Ausnahmefigur? <\/strong><\/em><\/p>\n Es gab im Ersten Weltkrieg in Deutschland kaum die M\u0569\u0083\u0539\u0533glichkeit, \u0569\u0083\u0539\u0536ber den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern offen zu sprechen. Er wurde im Osmanischen Reich ver\u0569\u0083\u0539\u0536bt, einem damaligen Verb\u0569\u0083\u0539\u0536ndeten Deutschlands. Es handelte sich um eines der gro\u0569\u0083\u056a\u0534en Menschheitsverbrechen. Es hat sich niemand \u0569\u0083\u0539\u0533ffentlich dazu ge\u0569\u0083\u0539)u\u0569\u0083\u056a\u0534ert, obwohl die deutsche Reichsregierung und die einflussreichen Kreise bestens dar\u0569\u0083\u0539\u0536ber informiert waren. Johannes Lepsius hat dann in Potsdam in Privatinitiative 20 000 Exemplare eines Berichts \u0569\u0083\u0539\u0536ber den Genozid in der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei publiziert, er hat den Bericht w\u0569\u0083\u0539)hrend des Krieges in verschiedene Sprachen \u0569\u0083\u0539\u0536bersetzen lassen. Das war ein Akt von Zivilcourage \u0569\u0083\u0539)hnlich der bekennenden Kirche. Lepsius stellte seine christlich-ethischen Prinzipien \u0569\u0083\u0539\u0536ber die nationalen Interessen des kriegsf\u0569\u0083\u0539\u0536hrenden Deutschen Reiches. Das war eine gro\u0569\u0083\u056a\u0534e Ausnahme.<\/p>\n Lepsius musste seine Aufzeichnungen zum Teil heimlich verfassen, es gab auch Zensurma\u0569\u0083\u056a\u0534nahmen. <\/strong><\/em><\/p>\n Wobei man allerdings ber\u0569\u0083\u0539\u0536cksichtigen muss, dass die Zensur damals noch nicht so perfekt funktionierte wie in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Ma\u0569\u0083\u056a\u0534nahmen griffen erst, als Lepsius seinen Bericht bereits verschickt hatte. Er bekam dann Schwierigkeiten und ging aus diesem Grund 1917 nach Holland. Den Rest des Krieges verbrachte er im Ausland.<\/p>\n Welche Rolle spielte Lepsius\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0549\u0084\u00a7 theologische Pr\u0569\u0083\u0539)gung f\u0569\u0083\u0539\u0536r sein Engagement? <\/strong><\/em><\/p>\n F\u0569\u0083\u0539\u0536r Lepsius war es sehr wichtig, dass er als junger Mann und Pastor in Jerusalem mit Missionaren aus den USA und Gro\u0569\u0083\u056a\u0534britannien in Ber\u0569\u0083\u0539\u0536hrung kam, die einen liberal-internationalistischen Standpunkt vertraten. Das hat ihn sehr beeinflusst, es hat seine theologischen Ansichten gepr\u0569\u0083\u0539)gt. Das \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Reich Gottes auf Erden\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0093 war f\u0569\u0083\u0539\u0536r diese Kreise eine rechtsstaatliche internationale Ordnung.<\/p>\n Wieso hatte Lepsius ein so gro\u0569\u0083\u056a\u0534es Interesse am Schicksal der Armenier? <\/strong><\/em><\/p>\n Sein Vater war ein renommierter Orientalist, der ausgezeichnete Kontakte in den Orient hatte. In seiner Familie waren der Orient und die orientalischen Christen immer ein Thema. In Jerusalem, das damals zum Osmanischen Reich geh\u0569\u0083\u0539\u0533rte, traf er auch auf Armenier, mit denen er pers\u0569\u0083\u0539\u0533nliche Kontakte kn\u0569\u0083\u0539\u0536pfte. Insofern war es nicht verwunderlich, dass er sich brennend interessierte f\u0569\u0083\u0539\u0536r die gro\u0569\u0083\u056a\u0534en Massaker1895 mit \u0569\u0083\u0539\u0536ber 100 000 Ermordeten. Er ist dann in die T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei gereist, hat mit \u0569\u0083\u056a\u0093berlebenden gesprochen und daraufhin das Buch \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Armenien und Europa: eine Anklageschrift\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0093 verfasst \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0549\u0080\u009c im Ton vergleichbar mit dem \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537J\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0549\u0084\u00a7accuse\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0093 von Emile Zola. Damit wurde er international bekannt. Kaum jemand hat f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Aufkl\u0569\u0083\u0539)rung dieser Massaker in Europa so viel beigetragen wie Johannes Lepsius.<\/p>\n Der Autor Franz Werfel nannte ihn einen \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Schutzengel der Armenier\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0093. <\/strong><\/em><\/p>\n Damit meinte Werfel den enormen pers\u0569\u0083\u0539\u0533nlichen Einsatz von Lepsius f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Armenier. Das betrifft auch die Organisation seines umfangreichen Hilfswerks, das von 1896 bis in den Krieg hinein funktioniert hat. Werfel hat Lepsius in seinem Roman \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Die vierzig Tage des Musa Dagh\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0093 erw\u0569\u0083\u0539)hnt. Ein Kapitel behandelt die Istanbulreise von Lepsius im Sommer 1915.<\/p>\n Die politische Klasse ignorierte die Berichte von Lepsius allerdings. <\/strong><\/em><\/p>\n Das kann man nicht generell sagen. In den 1890er Jahren war Armenien ein gewisses Thema, vor allem in der SPD. W\u0569\u0083\u0539)hrend des Weltkrieges \u0569\u0083\u0539)nderte sich das dann aber, alle politischen Parteien waren relativ still, man wollte den Burgfrieden einhalten. Mit Ausnahme des SPD-Abgeordneten Karl Liebknecht, der, nachdem er von Lepsius informiert worden war, 1915 eine Kleine Anfrage an den Reichstag stellte.<\/p>\n War das Ausma\u0569\u0083\u056a\u0534 des V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermords denn \u0569\u0083\u0539\u0536berhaupt bekannt? <\/strong><\/em><\/p>\n Die deutsche Reichsregierung wusste sp\u0569\u0083\u0539)testens seit 7. Juli 1915 ganz genau, was da passierte. Und dass es auf eine systematische Vernichtungspolitik hinauslief.<\/p>\n Ist der Genozid an den Armeniern als ein Vorl\u0569\u0083\u0539)ufer des Holocausts zu sehen? <\/strong><\/em><\/p>\n Solche Menschheitsverbrechen lassen sich schwer vergleichen. Man kann aber sagen, dass der V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern \u0569\u0083\u0539)hnlichen paranoiden Vorstellungen entsprang. Das Geschehen im Osmanischen Reich war Ausdruck eines extremen Nationalismus und dr\u0569\u0083\u0539\u0536ckte ein Bed\u0569\u0083\u0539\u0536rfnis nach ethnischer Reinheit aus. Der Versuch, eine homogene t\u0569\u0083\u0539\u0536rkische Nation herzustellen, zeigt schon gewisse Parallelen zur Gedankenwelt der Nationalsozialisten. V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermorde beruhen immer auf Fantasien von ethnischer Homogenit\u0569\u0083\u0539)t und der Konstruktion von vermeintlichen inneren Feinden, deren man sich entledigen m\u0569\u0083\u0539\u0536sse, um eine gl\u0569\u0083\u0539\u0536ckliche Zukunft zu erreichen.<\/p>\n Das Ausma\u0569\u0083\u056a\u0534 des Genozids an den Armeniern sprach f\u0569\u0083\u0539\u0536r sich. <\/strong><\/em><\/p>\n Man sah hier tats\u0569\u0083\u0539)chlich das erste Mal, zu was ein extremer Nationalismus f\u0569\u0083\u0539)hig ist. Das Grundprinzip zeigte sich zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte. Das war steigerbar, was die Nazis dann auch taten.<\/p>\n Welche Bedeutung hat das Potsdamer Lepsiushaus als Gedenkst\u0569\u0083\u0539)tte? <\/strong><\/em><\/p>\n Es ist nicht nur eine Gedenkst\u0569\u0083\u0539)tte. Neben der Dauerausstellung zum Leben und Wirken von Lepsius und zum V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern wird bei uns geforscht, aber auch politische Bildung betrieben. Wir kooperieren mit der Universit\u0569\u0083\u0539)t Potsdam und dem Moses Mendelssohn Zentrum. Wir haben gr\u0569\u0083\u0539\u0533\u0569\u0083\u056a\u0534er angelegte Forschungsaktivit\u0569\u0083\u0539)ten im Auge.<\/p>\n Die offiziellen Stellen in der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei leugnen den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord an den Armeniern. 2001 gingen beim damaligen Potsdamer Oberb\u0569\u0083\u0539\u0536rgermeister Matthias Platzeck zahlreiche Protestbriefe gegen die Restaurierung des Lepsiushauses ein. Gibt es heute noch Anfeindungen? <\/strong><\/em><\/p>\n Zur Er\u0569\u0083\u0539\u0533ffnung des Lepsiushauses im vergangenen Jahr gab es keinerlei Proteste. Es gab eigentlich gar keine Reaktionen der t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Botschaft. Offensichtlich geht man heute etwas diplomatischer vor als fr\u0569\u0083\u0539\u0536her.<\/p>\n Hat sich in der T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei etwas an der Sichtweise auf den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord ge\u0569\u0083\u0539)ndert? <\/strong><\/em><\/p>\n An der offiziellen Position der t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Regierung hat sich nichts ge\u0569\u0083\u0539)ndert. Aber die T\u0569\u0083\u0539\u0536rkei ist kein monolithischer Block, sondern eine pluralistische Gesellschaft. So wird etwa an einigen t\u0569\u0083\u0539\u0536rkischen Universit\u0569\u0083\u0539)ten \u0569\u0083\u0539\u0536ber den Genozid gelehrt und diskutiert. Auch gibt es Publikationen, die das Thema aufgreifen. Eine t\u0569\u0083\u0539\u0536rkische \u0569\u0083\u056a\u0093bersetzung von Akten aus dem Politischen Archiv des Ausw\u0569\u0083\u0539)rtigen Amts in Berlin hat zu einer erheblichen publizistischen Reaktion in den Zeitungen gef\u0569\u0083\u0539\u0536hrt, vergleichbar mit den Reaktionen 1919 in Deutschland, als Lepsius mit seinem Bericht und seiner Dokumentensammlung vielen Deutschen die Augen \u0569\u0083\u0539\u0533ffnete.<\/p>\n Allerdings wird Lepsius auch das Verwischen deutscher Spuren nachgesagt. <\/strong><\/em><\/p>\n Es handelt sich um ein gern kolportiertes Ger\u0569\u0083\u0539\u0536cht, aber das betrifft nicht seinen Bericht. Es geht um seine Publikation \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Deutschland und Armenien\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0093, die nach dem Krieg in Deutschland erschienen war. Es handelt sich dabei um eine Auswahl von diplomatischen Akten des Ausw\u0569\u0083\u0539)rtigen Amtes. Da l\u0569\u0083\u0539)sst sich leicht behaupten, dass die Auswahl tendenzi\u0569\u0083\u0539\u0533s sei. Dass Lepsius aber etwas verwischen wollte, entbehrt jeglicher Grundlage. Es handelt sich schlie\u0569\u0083\u056a\u0534lich um eine Zusammenstellung von diplomatischem Schriftverkehr aus dem Osmanischen Reich, die die deutsche Mitwisserschaft von vorne bis hinten eindeutig belegt.<\/p>\n Es gibt auch Seiten, die Lepsius Antisemitismus vorwerfen. <\/strong><\/em><\/p>\n Wir haben 2011 gemeinsam mit dem Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum Lepsius\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u0549\u0084\u00a7 angeblichen Antisemitismus untersucht. Mit dem Ergebnis, dass Lepsius mit Sicherheit kein Antisemit war. Das zeigt sich am deutlichsten daran, dass es auch in seiner Theologie nicht den f\u0569\u0083\u0539\u0536r seine Zeit typischen Antijudaismus gab. Lepsius war einer derjenigen, die Theodor Herzl auf den ersten Zionistenkongress in Basel eingeladen hat.<\/p>\n Auch von antidemokratischer Haltung ist immer wieder die Rede. <\/strong><\/em><\/p>\n Lepsius hat sich zum ersten Mal 1897 in Maximilian Hardens Zeitschrift \u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0537Zukunft\u0569\u00a7\u0549\u0082-\u056a\u0093 zu dem Thema ge\u0569\u0083\u0539)u\u0569\u0083\u056a\u0534ert. Es ging um den aufkommenden Nationalismus in Deutschland, welches sich damals in die Weltpolitik hineinbewegte. Seinerzeit bereits hat er eindeutig Stellung gegen die \u0569\u0083\u056a\u0093berbewertung des Nationalismus zu Ungunsten politisch-ethischer Prinzipien bezogen. Es gab dann 1900 eine gro\u0569\u0083\u056a\u0534e Kontroverse zwischen Lepsius und Friedrich Nauman zu dieser Frage. Lepsius vertrat einen ethisch internationalistischen Standpunkt, Naumann hingegen einen Standpunkt deutscher Welt- und Machtpolitik. Auch hat Lepsius die Novemberrevolution 1918 ausdr\u0569\u0083\u0539\u0536cklich begr\u0569\u0083\u0539\u0536\u0569\u0083\u056a\u0534t. Allerdings hatte er in den folgenden Krisenjahren und der Inflationszeit Zweifel, ob die Weimarer Republik eine stabile Ordnung darstellt.<\/p>\n ————–<\/p>\n Rolf Hosfeld (64) ist Leiter des Lepsiushauses in Potsdam. Hosfeld ist Journalist und Filmregisseur, der mit mehreren B\u0569\u0083\u0539\u0536chern vor allem zur deutschen Geschichte bekannt geworden ist.<\/p>\n Eine Ausnahmefigur. Johannes Lepsius stellte seine christlich-ethischen Prinzipien \u0569\u0083\u0539\u0536ber die nationalen Interessen des kriegsf\u0569\u0083\u0539\u0536hrenden Deutschen Reiches. Foto: Lepsiushaus<\/p>\n pnn.de<\/p>\n <\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Rolf Hosfeld \u0569\u0083\u0539\u0536ber das Engagement von Johannes Lepsius f\u0569\u0083\u0539\u0536r die Armenier und gegen den V\u0569\u0083\u0539\u0533lkermord Herr Hosfeld, was macht Johannes Lepsius in Ihren Augen zu einer deutschen Ausnahmefigur? 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