Strafverfahren gegen KթƒԹԳlner Autor.-Zweifel an TթƒԹԶrkei-Justiz.-(RP) Ein dubioses Strafverfahren gegen den KթƒԹԳlner Autor Dogan Akhanli wirft ein Schlaglicht auf die Defizite des tթƒԹԶrkischen Rechtswesens: թƒժ“berlange U-Haft, endlose Prozesse und Gesinnungsjustiz.

Als Dogan Akhanli seine erste Reise zu seinem Vater in die TթƒԹԶrkei seit fast 20 Jahren vorbereitete, kalkulierte er gleich zwei oder drei Tage fթƒԹԶr Festnahme und Vernehmung ein. SchlieթƒժԴlich hatte der in KթƒԹԳln lebende Autor als Linker und Opfer des MilitթƒԹ)rputsches von 1980 seine Erfahrungen mit der Justiz in der TթƒԹԶrkei. “Er flog an einem Montag und dachte, bis Freitag sei er dann wohl raus und bei seinem Vater”, sagt Akhanlis LebensgefթƒԹ)hrtin Ulla Kux. Doch es kam anders. Akhanli steht ab heute in Istanbul vor Gericht. Das Verfahren wirft ein Schlaglicht auf den bedenklichen Zustand der tթƒԹԶrkischen Justiz.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 53-jթƒԹ)hrigen Akhanli vor, 1989 an einem tթƒԹԳdlichen RaubթƒԹԶberfall in Istanbul beteiligt gewesen zu sein. VթƒԹԳllig absurd, sagen er und sein Anwalt. Akhanli selbst habe erst zwei Jahre nach dem թƒժ“berfall von seiner angeblichen Beteiligung erfahren, berichtet seine LebensgefթƒԹ)hrtin Kux. Sie glaubt an einen Vorwand. Vor seiner Reise in die TթƒԹԶrkei in diesem Sommer hatte Akhanli vorsichtige Erkundigungen in der TթƒԹԶrkei eingeholt. Er befթƒԹԶrchtete, dass die nationalistisch geprթƒԹ)gte Justiz in der TթƒԹԶrkei nur auf eine Gelegenheit wartete, mit einem Linken wie ihm abzurechnen. Deshalb rang er lange mit sich, ob er das Risiko eingehen und seinen herzkranken Vater besuchen sollte.

Festnahme nach MilitթƒԹ)rputsch

Nach dem MilitթƒԹ)rputsch am 12. September 1980 waren Zehntausende festgenommen worden, Tausende wurden gefoltert. Auch Akhanli, ein bekennender Kommunist, kam Mitte der 80er Jahre ins GefթƒԹ)ngnis. 1991 floh er nach Deutschland und wurde als politischer FlթƒԹԶchtling anerkannt. Die TթƒԹԶrkei entzog ihm die StaatsbթƒԹԶrgerschaft, 2001 wurde Akhanli Deutscher. Er schrieb BթƒԹԶcher, engagierte sich fթƒԹԶr den interkulturellen Dialog und setzte sich fթƒԹԶr die Aufarbeitung der tթƒԹԶrkischen Massaker an den Armeniern wթƒԹ)hrend des Ersten Weltkriegs ein.

FթƒԹԶr die tթƒԹԶrkische Justiz blieb er offenbar ein LandesverrթƒԹ)ter, obwohl die TթƒԹԶrkei bei den deutschen BehթƒԹԳrden nie die Auslieferung Akhanlis beantragte. Akhanlis AnwթƒԹ)lte verweisen zudem auf die թƒԹԶberaus dթƒԹԶnne Beweislage gegen ihren Mandanten. Ein ehemaliger Zeuge der Anklage sagt heute, er habe Akhanli weder bei dem RaubթƒԹԶberfall noch sonst je gesehen. Ein anderer Zeuge berichtet, er habe den Namen Akhanlis unter Folter genannt.

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Wulff spricht vor dem tթƒԹԶrkischen Parlament
In seiner 22-minթƒԹԶtigen Rede forderte der deutsche BundesprթƒԹ)sident mehr Toleranz gegenթƒԹԶber der christlichen Minderheit in der TթƒԹԶrkei.
Die Frau von BundesprթƒԹ)sidenten, Bettina Wulff, suchte den Dialog mit tթƒԹԶrkischen Abgeordneten.
Der tթƒԹԶrkische Premierminister Tayyip Erdogan geleitet Wulff zum Rednerpult.
Wulff spricht vor dem tթƒԹԶrkischen Parlamentթ‚Թ 

“Es gibt keine Beweise”, sagt auch die Menschenrechtlerin Eren Keskin. Keskin und andere Intellektuelle, darunter Literatur-NobelpreistrթƒԹ)ger Orhan Pamuk, fordern die sofortige Freilassung Akhanlis. Klaus Staeck, der PrթƒԹ)sident der Berliner Akademie der KթƒԹԶnste, prangert ein “geplantes Gesinnungsverfahren” an. Aus Deutschland haben sich UnterstթƒԹԶtzer zum Prozess angesagt, darunter GթƒԹԶnter Wallraff.

Wie die Richter der elften Kammer des Istanbuler Schwurgerichtes entscheiden werden, ist vթƒԹԳllig offen. Die demokratischen Reformen der TթƒԹԶrkei in den vergangenen Jahren sind am nationalistischen Geist in der Justiz des Landes weitgehend spurlos vorթƒԹԶbergegangen. Immer noch sehen sich viele Richter und StaatsanwթƒԹ)lte zuallererst als HթƒԹԶter des Staatswesens, das sie gegen Angriffe angeblicher Feinde schթƒԹԶtzen wollen. Menschenrechte oder internationale Rechtsnormen spielen nur eine untergeordnete Rolle.

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Christian Wulff besucht die TթƒԹԶrkei
In gediegener AtmosphթƒԹ)re lernen sich die Ehepaare kennen.
Die VerstթƒԹ)ndigung scheint kein Problem zu sein - Wulff und GթƒԹԶl verstehen sich offenbar.
Zuvor gab es einen Empfang mit militթƒԹ)rischen Ehren.
Christian Wulff besucht die TթƒԹԶrkeiթ‚Թ թ‚Թ 

Richter verzweifeln

An dieser Justiz verzweifeln sogar die hթƒԹԳchsten Richter des Landes. Kein Mensch kթƒԹԳnne behaupten, dass die TթƒԹԶrkei թƒԹԶber eine gerechte Gerichtsbarkeit verfթƒԹԶge, bemerkte kթƒԹԶrzlich sogar der tթƒԹԶrkische VerfassungsgerichtsprթƒԹ)sident Hasim Kilic. Das Grundproblem, so Kilic, sei der obrigkeitsstaatliche Geist der meisten tթƒԹԶrkischen Richter und StaatsanwթƒԹ)lte. Das weiթƒժԴ auch Isil Karakas, die tթƒԹԶrkische Richterin am EuropթƒԹ)ischen Menschenrechtsgerichtshof in StraթƒժԴburg, wo 18 500 Beschwerden aus der TթƒԹԶrkei anhթƒԹ)ngig sind թ§Չ‚-Չ€œ mehr Klagen kommen nur aus Russland.

Karakas zufolge kam Akhanli mit seinen bisher vier Monaten U-Haft noch vergleichsweise glimpflich davon. Die Juristin zitiert einen Fall, in dem ein tթƒԹԶrkischer UntersuchungshթƒԹ)ftling seit 14 Jahren hinter Gittern sitzt, ohne dass ein Urteil fiel. Derzeit sitzen in der TթƒԹԶrkei rund 60 000 Menschen in U-Haft թ§Չ‚-Չ€œ das sind mehr als die 58 500 verurteilen HթƒԹ)ftlinge.

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Merkel besucht die TթƒԹԶrkei
Vor den ernsten GesprթƒԹ)chen tauschen die Kanzlerin und der MinisterpթƒԹ)sident aber erst einmal Geschenke aus.
Zum Staatsempfang in der TթƒԹԶrkei gehթƒԹԳrt auch ein Konzert der Ehrengarde.
Nach dem obligatorischen HթƒԹ)nde-SchթƒԹԶtteln fթƒԹԶr die Fotografen ist es Zeit fթƒԹԶr politischen GesprթƒԹ)che.
Merkel besucht die TթƒԹԶrkeiթ‚Թ 

Auch die Prozesse schleppen sich zթƒԹ)h dahin. 27 Monate brauchte das Gericht in Antalya, um im Fall des wegen Vergewaltigung angeklagten deutschen SchթƒԹԶlers Marco Weiss zu einem Urteil zu kommen թ§Չ‚-Չ€œ kein besonders langer Prozess nach den MaթƒժԴstթƒԹ)ben der TթƒԹԶrkei, wo im vergangenen Jahr das lթƒԹ)ngste Gerichtsverfahren der Welt nach 28-jթƒԹ)hriger Dauer zu Ende ging. Nach Angaben des Verfassungsgerichts mթƒԹԶssen jթƒԹ)hrlich 15 000 Prozesse wegen VerjթƒԹ)hrung eingestellt werden. Ein Grund fթƒԹԶr den RթƒԹԶckstau ist die Flut von Prozessen, die von ideologisch motivierten StaatsanwթƒԹ)lten wegen Gesinnungsdelikten angestrengt werden.

Akhanli will heute beim Prozessauftakt nur zur Feststellung der Personalien etwas sagen und ansonsten schweigen. Sein Vater starb am Wochenende, ohne dass er ihn noch einmal sehen konnte. Nun fթƒԹԶhle sich Akhanli nicht mehr wie ein HթƒԹ)ftling, sagt sein Anwalt, “sondern wie eine Geisel”.

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