War der Giftgasangriff in Nordsyrien tatsթԹ)chlich ein Kriegsverbrechen des Assad-Regimes? Experten halten auch einen Angriff unter “falscher Flagge” dschihadistischer Rebellen fթԹԶr mթԹԳglich. Dies wթԹ)re nicht das erste Mal.
թժber 80 Menschen sind bei dem Giftgasangriff in Chan Scheichun ums Leben gekommen. Das ist so ziemlich das Einzige, was wirklich unzweifelhaft fest steht. Schuldzuweisungen von westlicher Seite stehen թՉuթժԴerungen aus Damaskus und Moskau gegenթԹԶber, die Assads Schuld an der TragթԹԳdie bestreiten.
In jedem Fernsehkrimi wird bei einem Verbrechen die Frage gestellt: Wer hat ein Interesse an der Tat? Zumindest diese Frage lթԹ)sst sich nach Ansicht von GթԹԶnter Meyer klar beantworten: “Von einem solchen Giftgaseinsatz kթԹԳnnen nur die bewaffneten Oppositionsgruppen profitieren”, erklթԹ)rt der Leiter des Zentrums fթԹԶr Forschung zur Arabischen Welt an der UniversitթԹ)t Mainz gegenթԹԶber der DW.թԹ “Sie stehen mit dem RթԹԶcken zur Wand, haben de-facto keine Chance, sich militթԹ)risch gegen das Regime zu wehren. Und wie die jթԹԶngsten Reaktionen von US-PrթԹ)sident Trump zeigen, ermթԹԳglichen ihnen solche Aktionen, wieder die UnterstթԹԶtzung der Assad-Gegner zu bekommen”, so Meyer.
Die von US-PrթԹ)sident Barack Obama 2012 gezogene rote Linie: “Wenn das Assad-Regime Giftgas einsetzt, wird die USA eingreifen” wertet der Mainzer Professor in der Praxis als “Einladung an die Assad-Gegner, GiftgaseinsթԹ)tze durchzufթԹԶhren, fթԹԶr die dann das Assad-Regime verantwortlich gemacht wird”.
Giftgas bei den Rebellen
Dass die bewaffnete Opposition zu Chemiewaffenangriffen in der Lage ist,թԹ hat der EnthթԹԶllungsjournalist Seymor Hersh schon 2014 in einemBeitrag fթԹԶr den “London Review of Books”թԹ ausfթԹԶhrlich beschrieben. Hersh zitiert darin ein Dokument des US-MilitթԹ)rgeheimdienstes DIA aus dem Jahr 2013. Demzufolge verfթԹԶgte der syrische Al-Kaida Ableger Nusra Front թԹԶber das Nervengas Sarin. In seinem Beitrag versucht Hersh nachzuweisen, der landlթԹ)ufig ebenfalls Assad zugeschriebene Giftgasangriff auf den Damaszener Vorort Ghouta im August 2013 sei in Wahrheit eine Aktion der Rebellen gewesen. Ziel: Die US-Administration wegen des vermeintlichen թժberschreitens von Obamas roter Linie in einen Krieg gegen Assad zu ziehen.
Giftgas in Ghouta 2013
Der Nahost-Experte Michael LթԹԶders beschreibt in seinem gerade erst erschienenen Syrien-Buch “Die den Sturm ernten”, wie Ende August 2013 US-Geheimdienstchef James Clapper den US-PrթԹ)sidenten davon abhթԹ)lt, die bereits im Mittelmeer stationierten LenkraketenzerstթԹԳrer ihre Tomahawk MarschflugkթԹԳrper gegen Syrien abzufeuern: Indem Clapper Obama von der Unschuld Assads թԹԶberzeugte – vermutlich auch mit einer Analyse von in GhoutaթԹ genommenen Sarin-Proben durch ein Chemiewaffenlabor des britischen MilitթԹ)rs im englischen Porton Down. Das in Ghouta gefundene Gas soll demnach eine andere Zusammensetzung gehabt haben als das aus den BestթԹ)nden der syrischen Armee.
Der Giftgasangriff von Ghouta fiel ausgerechnet in eine Zeit, als UN-Chemiewaffenkontrolleure im Land waren. Auf Aufforderung von Assad hin, wie GթԹԶnter Meyer betont. Denn schon im MթԹ)rz 2013 hatte es einen Chemiewaffenangriff gegeben, nթԹԳrdlich von Aleppo. Dabei waren auch Soldaten der syrischen Armee ums Leben gekommen. Assad wollte mit Hilfe der UN-Kontrolleure die Verantwortlichen fթԹԶr diesen Angriff identifizieren, so Meyer. “Es ist unsinnig zu erwarten, dass das Regime einen derartigen Angriff gerade dann ausfթԹԶhrt, wenn diese Kommission eintrifft”, urteilt der Mainzer Orient-Experte.
Zweifel an Assads-Urheberschaft fթԹԶr dieses Kriegsverbrechen mit hunderten Toten kamen auch dem ehemaligen UN-Waffeninspekteur Richard Lloyd und demթԹ MIT-Professor Theodore Postol .Anfang 2014 legten die beiden US-Wissenschaftler in einem BerichtթԹ dar, dass die in Ghouta eingeschlagenen Giftgasgeschosse nur aus Rebellengebiet abgefeuert worden sein konnten. Ihre Reichweite habe bei maximal 2,5 Kilometern gelegen.
Giftgas zur Abschreckung
Zum Zeitpunkt des Angriffs auf Ghouta besaթժԴ Syrien noch rund 600 Tonnen Chemikalien zur Herstellung von Sarin und Senfgas. Diese ChemiewaffenbestթԹ)nde dienten GթԹԶnter Meyer zufolge ursprթԹԶnglich als Gegengewicht zu Israels Atomwaffen. “Israel hat mittlerweile schթԹ)tzungsweise etwa 200 AtomsprengkթԹԳpfe. Chemische Kampfstoffe werden auch als Atombombe des kleinen Mannes bezeichnet”, so der Nahost-Experte aus Mainz. Im August 2014 meldeten die USA die vollstթԹ)ndige Vernichtung dieser Kampfmittel. Wobei in einem unթԹԶbersichtlichen Kriegsgebiet nicht auszuschlieթժԴen ist, dass irgendwo noch BestթԹ)nde zurթԹԶck gehalten worden sind.
Al-Kaida in Idlib
Von den seit 2013 beim US-MilitթԹ)rgeheimdienst DIA aktenkundigen Chemiewaffen der Nusra-Front aber weiթժԴ man gar nichts. DafթԹԶr ist der Al-Kaida Ableger heute in der nordsyrischen Provinz Idlib die bedeutendste Rebellengruppe, betont GթԹԶnter Meyer gegenթԹԶber der DW: “Die Nusra-Front hat sich -թԹ jetzt unter neuem Namen -թԹ in Idlib mit anderen extremistischen Dschihadisten zusammen geschlossen und bildet dort gegenwթԹ)rtig die entscheidende, die mթԹ)chtigste Gruppe der Islamisten. Das heiթժԴt: In Idlib hat de-facto Al-Kaida -թԹ vertreten durch die Nusra-Front – das Sagen.”
Unzweifelhaft ist Baschar Al-Assad in der Wahl der Mittel zur Sicherung seiner Herrschaft alles andere als zimperlich. Aber warum der syrische Diktator die WeltթԹԳffentlichkeit ausgerechnet zu einem Zeitpunkt wissentlich gegen sich aufbringen sollte, als sie sich mit seinem Verbleiben als syrischer PrթԹ)sident abzufinden beginnt, ist eine berechtigte Frage. Man sollte sie plausibel beantworten, bevor man sich zu voreiligen Reaktionen hinreiթժԴen lթԹ)sst.
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dw.com
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